Kritik zu Simon

© Farbfilm

Die Verfilmung des schwedischen Bestsellers »Simon und die Eichen« von der Erfolgsautorin Marianne Fredriksson war für dreizehn Guldbagge Awards, die schwedischen Oscars, nominiert und hatte zu Hause einen fulminanten Filmstart

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Simon war von Anfang an anders. Nicht der patente, zupackende Handwerkersohn, der dem Vater nacheifert und ihm unter die Arme greift. Der junge Simon (Jonatan S. Wächter) war ein Bücherwurm und Mutterkind, ein Träumer, der eine mächtige Eiche zum besten Freund erkoren hat und in ihrem Schatten am liebsten ins Blaue hinein sinniert, wo sich duftige Schäfchenwolken in eine Kamelkarawane zu verwandeln scheinen. Doch eine Reise in tausendundeine Nacht tritt dieser mit dem kargen Reiz der schwedischen Küstenlandschaft spielende Film nicht an. Die Zeichen stehen auf Sturm. Wenn dieser ins Geäst der Eiche fährt, heißt es Abschied nehmen von der Kindheit. Simon wird – gegen den Willen des Vaters – in die höhere Schule wechseln, zu den´Snobs, wie dieser mit klassenbewusster Bitterkeit zu sagen pflegt. Aber man schreibt das Jahr 1939, und der Einmarsch der Deutschen in die Nachbarländer steht vor der Tür. Hier weht mit gleicher Wucht der Sturm der Geschichte, der die Emigranten längst ins neutrale Schweden getrieben hat und – ohne dass er davon wüsste – auch seine Spuren in Simons Leben hinterlassen hat.

Es kommt vor, dass ein Kind aus der Art schlägt. Anders als der offenherzigere Roman, der gleich das Adoptivkind preisgibt, bewahrt der Film lange das Familiengeheimnis, das Simon umgibt, und beschwört unterschwellig ein Konfliktpotenzial herauf, das, wie man heute weiß, bei vielen Adoptivkindern zu besonders tiefen Vertrauenskrisen und Ablösungsszenarien mit dem Elternhaus führt. Simon befreundet sich zwar auf Anhieb mit dem jüdischen Klassenkameraden Isak, dem Prügelknaben der Schule, ohne zu entdecken, dass er sich mit dieser unbewussten Wahl schon auf der Suche nach seinen Wurzeln befindet. Simon lernt durch die vermögende Buchhändlerfamilie Lentov die bisher fremde bürgerliche Welt und – durch die Aufmerksamkeit von Isaks Vater Ruben (Jan Josef Liefers) – auch seine besondere musikalische Begabung kennen. Die beiden Familien kommen sich noch näher, als sich Isaaks Mutter in psychiatrische Betreuung begeben muss und sich Ruben in Simons Mutter verliebt. Mit psychologischer Feinfühligkeit beobachtet der Film diese Irrungen und Wirrungen bis zu ihrer Auflösung. Tonfall und Erzählstil verändern sich allerdings im zweiten Teil, als der ältere Simon (Bill Skarsgård) auf den Plan tritt und seine ersten amourösen Abenteuer – auch mit einer KZ-Überlebenden – zu bestehen hat. Obwohl der Film mit seinen vielen Schicksalsschlägen und zuweilen klischeehaften Schilderungen gehörig auf die Tränendrüsen drückt und damit der Bestsellerautorin Fredriksson durchaus gerecht wird – beeindruckt er durch die einfühlsame Schilderung einer oder vielmehr zweier Familiengeschichten, die in Verständnis und Versöhnung zueinanderfinden. Simon, der Suchende, der zuletzt nach Berlin zu den Überlebenden seiner richtigen Familie aufbricht, bleibt zwar im Mittelpunkt, ist jedoch flankiert von außergewöhnlichen Figuren wie seiner Mutter (Helen Sjöholm) und dem Buchhändler Ruben Lentov, mit dem Jan Josef Liefers seiner TV-Imago des leichtgewichtigen Spaßmachers entkommt.

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