Kritik zu Sigmund Freud – Freud über Freud

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David Teboul zeichnet anhand von Freuds eigener Korrespondenz die Biografie des Gründers der Psychoanalyse nach

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Die Psychoanalyse und das Kino – das ist eine schwierige Liaison. Dokumentarische und fiktive Filme zu diesem Thema gibt es zahlreiche. Dass das Wesen der Psychoanalyse dabei kaum berührt wird, liegt in der Natur der Sache. Die Technik der von Freud entwickelten Seelenkunde besteht gerade in der Auflösung von (inneren) Bildern. Deren mühsame Rückübersetzung in Worte führt zur Lösung von Symptomen. Nicht zufällig vermeidet der Psychoanalytiker den Blickkontakt. Er setzt sich hinter die Couch, um von dort aus den Assoziationen seines Patienten zu lauschen.

Das Kino funktioniert in etwa umgekehrt. Wir sitzen vis-à-vis der Leinwand gegenüber. Der Film stellt Bilder bereit, die jene Lust und jenes Leiden in uns (wieder-)erwecken, das die Psychoanalyse zu entschlüsseln versucht. Weil also Film und Psychoanalyse sich eigentlich gegenseitig ausschließen, erscheinen Filme über Freuds Entdeckung mehr oder weniger kopflastig. Die wie Kriminalgeschichten anmutende Aufdeckung verborgener Ursachen seelischen Leidens, wie Freud sie in seinen berühmten Falldarstellungen ausbreitete, vermittelt sich auf der Leinwand nur ansatzweise.

Der Franzose David Teboul, bekannt durch seine Dokumentationen über ­Brigitte Bardot und Yves Saint Laurent, versucht, aus dieser Not eine Tugend zu machen. Statt der Psychoanalyse rückt er Sigmund Freud ins Zentrum, der, gesprochen von dem österreichischen Schauspieler Johannes Silberschneider, in Form seiner umfangreichen Briefkorrespondenzen selbst zu Wort kommt. Anhand seines atheistischen Judentums spannt der Film einen Bogen von der Geburt bis hin zur Flucht vor den Nazis im Jahr 1938. Die Biografie wird schlüssig nacherzählt anhand der Begegnung mit Freunden und Zeitgenossen, darunter der Berliner Arzt Wilhelm Fließ, der Schweizer Psychiater C. G. Jung, die Dichterin Lou Andreas-Salomé sowie die französische Analytikerin Marie Bonaparte.

Diese spannende und inspirierende Selbstdarstellung der psychoanalytischen Bewegung reichert Teboul geschickt mit Bilddokumenten an, welche die Stimmung der Epoche widerspiegeln. Das Herzstück bilden bislang unveröffentlichte Archivfilme. Zu sehen ist der Entdecker des Unbewussten als Privatmensch, der mit seinen Chow-Chow-Hunden spielt. Bilder und Selbstzeugnisse verschränken sich auf diese Weise zu einer formalen Geschlossenheit, die man in früheren Freud-Dokumentationen selten so erlebte.

Diese Stärke dieses Films hat leider auch eine Schwäche. Da meist körniges Schwarz-Weiß-Material und flimmernde Bilder Verwendung finden, verfestigt sich unbewusst die Assoziation, Psychoanalyse sei ein Denkgebäude aus ferner Vergangenheit, das mit den Wirren der Gegenwart nichts mehr zu tun hat. Das Feuer des Freud'schen Denkens – Teboul lässt es erkalten. Dass die Psychoanalyse eine der größten intellektuellen Herausforderungen geblieben ist, die das zwanzigste Jahrhundert an das neue Jahrtausend weitergereicht hat, vermittelt sein Film nicht.

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