Kritik zu Seestück
Volker Koepp ist als Dokumentarfilmer weiter im Ostseeraum unterwegs. Auf das »Landstück« von 2016 folgt nun das »Seestück«, wieder mit Fokus auf Menschen, Alltag und Ökologie
»Sie warten jetzt auf Uwe«, ist ein Satz, halb fragend, halb feststellend formuliert, der in Seestück von Volker Koepp den Gesprächseinstieg mit einem alten Fischer motiviert. Es ist ein typischer Satz für Volker-Koepp-Dokumentarfilme, grundstürzend banal, scheinbar harmlos, noch nicht mal eine richtige Frage, und zugleich ein Zeichen dafür, dass der Autor seine Protagonisten schon kennt, um »Uwe« weiß, nicht zum ersten Mal mit dem Fischer redet.
Koepps Ethnografie von Landschaften mit Bewohnern vollzieht sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten in gleichbleibend gemächlicher Geschwindigkeit. Die imaginäre Landkarte, auf der sich Koepp mit seinen Filmen bewegt, führt von Berlin in den Norden an die Ostsee, nach Osten über Polen, das Kaliningrader Gebiet und dann, entlang des prototypischen Volker-Koepp-Lands »Sarmatien«, über Galizien bis nach Süden zum Schwarzen Meer. In Tschechien, zum Beispiel, ist Koepp noch nie gewesen, und in Ostwestfalen auch nicht.
Sein Interesse gilt den immer gleichen Flecken, und weil er seine Filme aber nicht »Uckermark 2« oder »Arkona-Rethra-Vineta« revisited nennen will, werden neue Unternehmungen unter geräumigeren Namen zusammengefasst. Dabei ist die Idee eines Sequels dem Dokumentarfilmer nicht fremd: Koepps letzter Film hieß »Landstück« (und erkundete erneut die Uckermark) und der neue heißt, logischerweise, »Seestück«. Als Bindeglied dient der Ökologe Michael Succow, Träger des alternativen Nobelpreises, der in Landstück spektakuläre Auftritte hatte (unter anderem führte er die hohe Kunst des Ohrenwackelns vor) und in »Seestück« nun von der Beruhigung durch Wetteraufwallung in einem renaturierten Raum bei Greifswald schwärmt.
In »Seestück« wird mit der Kamera von Uwe Mann der Ostseeraum bereist: Usedom, Swinemünde, Schweden, Dänemark, Lettland, Russland. Da die Orte sich nicht ändern bei Volker Koepp, ist es die Geschichte, die den Unterschied macht, wenn Bekannte aus früheren Filmen wieder aufgesucht werden – wenn auch Koepp darauf verzichtet, Material aus den alten Filmen in den neuen zu integrieren, wie das sein Kollege Heinz Brinkmann zuletzt im Usedom-Film gemacht hat. »Seestück« ist Teil einer Langzeitbeobachtung ohne Zwang: Es ist zwar deutlich spürbar, dass die geopolitischen Verschiebungen der jüngsten Zeit, die Konfrontation zwischen Russland und »dem Westen«, die Liaison von Trump-Amerika und PiS-Polen, den Dokumentarfilmer umtreiben – nicht immer aber schlägt sich die Weltpolitik unmittelbar nieder im Alltagsleben der Menschen.
So ist »Seestück« ein typisches Volker-Koepp-Feuilleton geworden: Die beeindruckenden Himmel über der See hängen tief ins Bild, und interessante Sprecher blicken auf Landschaft und Geschichte aus der Perspektive ihrer Interessen. Dass dabei, wie schon in »Landstück«, das Ökologische stärker in den Vordergrund drängt, ist ein neues Moment im Werk Koepps – angelegt war es im Verhältnis des Dokumentarfilmers zu dem für seine künstlerische Sozialisation so wichtigen Landschaftsraum freilich immer.
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