Kritik zu Score – Eine Geschichte der Filmmusik
Matt Schrader versucht mithilfe vieler prominenter Interviewpartner einen Überblick über die Geschichte der Filmkomposition zu geben
Die Geschichte der Filmmusik ist so alt wie die des Kinos selbst und dazu noch unglaublich komplex. Matt Schrader also hat sich mit »Score – Eine Geschichte der Filmmusik« einen ganz schönen Brocken vorgenommen. Sicherlich könnte aus dem Stoff mit einem guten Erzähler und einer systematischen Aufarbeitung eine wahnsinnig spannende Dokumentation werden.
Über den Konjunktiv kommt »Score« allerdings nicht hinaus. Schrader wird in seinem ambitionierten Film nicht wirklich Herr seines Materials, das umfangreich recherchiert, aber schier erschlagend ist. In der ersten Filmhälfte haut ein Stakkato von tausend und einer Stimme aus der Branche dem Zuschauer Filmtitel und Komponistennamen um die Ohren. Die Dokumentation reißt vieles an, von Max Steiners revolutionären Orchesterklängen in »King Kong« bis zu John Williams' motivischer Nutzung in »Die unglaubliche Begegnung der dritten Art«; große Tonfilmkomponisten werden genannt, neben Williams John Barry, Bernard Herrmann, Ennio Morricone und viele viele andere. Aber all das wirkt wie eine lieblose Aneinanderreihung von Fußnoten zu einer Geschichte, die hier eben nicht erzählt wird. Ästhetische Strömungen und Entwicklungen werden auf diese Weise kaum erkennbar.
Schrader ordnet wenig ein und vernachlässigt die Stummfilmmusik ebenso wie den Übergang zum Tonfilm, diesen richtungsweisenden Einschnitt, der das Verhältnis von Bild und Musik radikal verändert hat. Stattdessen geht die Hetzjagd durch popkulturell eingebrannte Filmausschnitte weiter, hier das bedrohliche Zwei-Ton-Motiv aus »Der weiße Hai«, dort Herrmanns verstörendes Violinenkrächzen aus »Psycho«. Sicher sorgt das für Erinnerungen an einige Gänsehautmomente der Filmgeschichte, auch einige Archivaufnahmen, zum Beispiel von Steven Spielberg und John Williams am Flügel, sind nette historische Schmankerl. An das, was die Magie der Filmmusik ausmacht, kommt Score so nicht heran. Auch ihre Funktion für Struktur und Dramaturgie im Kino bleibt weitestgehend im Dunkeln. Nur dass sie Emotionen beim Zuschauer hervorruft, wird gebetsmühlenartig wiederholt.
Über das Werk zeitgenössischer Komponisten wie Hans Zimmer, Danny Elfman oder Thomas Newman gibt »Score« in jenen Momenten einen guten Überblick, in denen die Musiker das Alleinstellungsmerkmal des jeweils anderen, zwar beweihräuchernd, aber doch treffend beschreiben. Durch die Orchesterproben in den Aufnahmestudios von Fox oder Warner und Szenen in privaten Studios kommt man auch den Entstehungsmodalitäten moderner Soundtracks für Großproduktionen näher. »Es gibt keine Regeln« sagt Elfmann einmal über Filmmusikkompositionen. Besonders deutlich wird das, wenn J. Ralph seine Sammlung verrückter Instrumente präsentiert oder ein Soundtrack in einer zum Tonstudio umgebauten Kirche mit ganz eigenen Klangqualitäten entsteht. Eine Geschichte erzählt der Film dennoch nicht. »Score« ist am Ende eine umfangreiche Materialsammlung zu Filmmusikkompositionen für Hollywood, der eine filmische Partitur fehlt.
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