Kritik zu Roman Polanski: A Film Memoir
Polanski by Polanski: Filmproduzent Andrew Braunsberg dient in diesem Dokumentarfilm als Stichwortgeber, der dem polnischen Regisseur Gelegenheit gibt, von seinem durch Traumata geprägten Leben zu erzählen
Im Herbst 2009 wurde Roman Polanski bei seiner Einreise in die Schweiz verhaftet. Grund war eine 31 Jahre zurückliegende Anklage wegen Sex mit einer Minderjährigen in den USA. Der Urteilsverkündung hatte sich Polanski seinerzeit durch Flucht nach Europa entzogen. Nach Wochen im Gefängnis wurde er in seinem Anwesen in Gstaad unter Hausarrest gestellt. Zu seinen Besuchern in dieser Zeit gehörte auch der Filmproduzent Andrew Braunsberg, der Polanski 1964 kennengelernt und später dessen Filme Macbeth, Was? und Der Mieter produziert hatte. Im Frühjahr 2010 führte Braunsberg mit Polanski ein abendfüllendes Gespräch, daraus entstand dieser Film, für dessen Regie Laurent Bouzereau verantwortlich zeichnet.
Ich wäre lieber für meine Arbeit als für mein Privatleben berühmt«, sagt Polanski gegen Ende des Gespräches. Darin steckt auch die Erkenntnis, dass dem wohl nie so sein wird. Man könnte jetzt schon Wetten darauf abschließen, dass Polanskis Nachrufe das einst final bestätigen werden.
Auch diese Dokumentation beschäftigt sich nur marginal mit Polanskis Filmen, die chronologische Erzählweise setzt vielmehr Akzente bei jenen Momenten in seinem Privatleben, die ihn prägten. Vor allem seine Kindheit im Krakauer Ghetto mitsamt der Deportation seiner Angehörigen (die Mutter wurde im KZ ermordet) nimmt breiten Raum ein und wird wiederholt mit Ausschnitten aus seinem Film Der Pianist illustriert. Mehr als ein Drittel des Films nimmt dieser Abschnitt seiner Biografie ein; man sieht, wie Polanski dabei mehrfach die Stimme versagt – nur zu verständlich angesichts dessen, was er erlebt hat. Der zweite einschneidende Moment war dann die Ermordung seiner (hochschwangeren) Frau Sharon Tate durch die Manson-Sekte 1969. Knappes Wochenschaumaterial und Zeitungsschlagzeilen werden zur Illustration herangezogen, am nachhaltigsten aber wirkt eine Aufnahme der Wohnung, in der man noch die Blutflecken auf dem Teppich sehen kann. Der dritte Moment ist dann die Festnahme wegen Sex mit einer Minderjährigen 1977.
Vielleicht weiß ich die guten Momente deshalb mehr zu schätzen«, resümiert Polanski am Schluss seine traumatischen Erfahrungen, als Braunsberg meint, er hätte mehr Katastrophen in seinem Leben erfahren als jeder andere, den er kenne. Die letzte Geschichte immerhin hat ein »Happy End«: Nach Haft und knapp acht Monaten Hausarrest lehnten die Schweizer Behörden im Juli 2010 das Auslieferungsersuchen der USA ab und setzten Polanski auf freien Fuß. Sein damaliges Opfer verkündete im Fernsehen, das Gerichtssystem und die Medien hätten ihr mehr Schaden zugefügt als Polanski selber.
Roman by Polanski« betitelte der Filmemacher seine bereits 1984 erschienene Autobiografie, was auch ein passender Titel für diesen Film wäre, der Polanski eine Plattform bietet, bei der der Interviewer nur Stichwortgeber ist. Wer nichts von Polanskis Lebensgeschichte weiß, kann aus dem Film zentrale Einsichten gewinnen, aber am Ende hat man doch das Gefühl, nur die Spitze des Eisbergs gesehen zu haben.
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