Kritik zu Robot Dreams

© Plaion Pictures

2023
Original-Titel: 
Robot Dreams
Filmstart in Deutschland: 
09.05.2024
L: 
102 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Ausgezeichnet mit einem Goya und dem Europäischen Filmpreis sowie einer Oscarnominierung als bester Animationsfilm: Pablo Bergers Parabel über Freundschaft und Verlust ist ein Film für Menschen jeden Alters

Bewertung: 4
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Irgendwann in den 1980er Jahren: Die Punks auf der Straße grüßen mit dem Mittelfinger, und die Twin Towers gelten noch als neu. Dog lebt in einer kleinen Wohnung in Manhattans East Village. Eines Tages stellt er fest, dass er einsam ist. Die Makkaroni mit Käse, die er sich allabendlich in der Mikrowelle warm macht, wollen nicht mehr so recht munden, und der Softdrink, den er mit dem Strohhalm aus dem Plastebecher zutzelt, schmeckt schal. Ein Glück, dass im Fernsehen gerade die Lösung des Problems beworben wird: ein Roboter! Bestellt, geliefert, zusammengeschraubt ist quasi eins, und schon freuen sie sich aneinander: Dog und Robo, die beiden Helden des für Menschen jeden Alters geeigneten Animationsfilms von Pablo Berger.

»Robot Dreams« spricht eine klare Sprache. Das heißt, gesprochen wird eigentlich gar nicht, gebellt auch nicht; hin und wieder wird getönt und gegrunzt oder geächzt und gefiept, mal schnappt einer erschrocken nach Luft, mal zwitschern Vögel ihre Lieder, mal quietscht es im Gebälk respektive in der Mechanik. Dazu jede Menge großartige Popmusik, Soul, Funk, Latin sowie Ohrwürmer, Balladen und Melodien, nicht zu vergessen altbekannte Gassenhauer und Hits, die zum Geschehen jeweils passen, als wäre das schon immer ihre einzige Aufgabe auf der Welt gewesen.

Man könnte diesen Film für ein Musical halten, nur eben ohne singende Protagonisten. Dafür gibt es zum Ausgleich eine Tanznummer, gefilmt im Stil von Busby Berkeley, mit Margeriten im Lande Oz. Dort nämlich macht Robo in seinen Träumen gern Station. Robo hat viel Zeit zum Träumen, nachdem ein Badeausflug nach Coney Island ein reichlich unvorhergesehenes Ende nimmt und die Beziehung zwischen ihm und Dog vom Blitzrost sozusagen in die Zwangspause geschickt wird. Denn so ein bewegungsunfähiger Robo(ter) ist richtig schwer und so ein Dog kräftemäßig eben doch nur ein eher kleiner Hund.

Also gilt es, bis zur nächsten Saison und damit der Wiedereröffnung des Strandes zu warten. Allerdings kann in der Zwischenzeit allerhand passieren – und tut es auch. Die Perspektive wechselt währenddessen zwischen den beiden voneinander getrennten Freunden hin und her, zeigt ihre Abenteuer, ihre Sehnsüchte, ihr Sich-umeinander-Sorgen, vermittelt die tiefe Zuneigung einer gelebten Freundschaft. Es vergeht der Winter. Es folgt der Frühling. Es ändern sich die Zeiten.

Angenehm bewegt schaut man alledem zu und merkt vor lauter dargebotenem Trost zunächst nicht, dass »Robot Dreams« im Kern die Geschichte des Akzeptierens und Verarbeitens von Verlust erzählt. Dabei weiß Jede, dass einem selbst die beste Freundin aus den Augen verschwinden kann; was eben genau nicht bedeutet: aus dem Sinn; und erst recht nicht: aus dem Herzen. Sowie einem aber bewusst wird, wovon hier eigentlich die Rede ist, steigt auch die Bewunderung für die tatsächliche Komplexität dieses vermeintlich so einfach gestrickten Films. Und freilich steigen auch die Tränen.

Die spanisch-französische Coproduktion, oscarnominiert und als bester Animationsfilm sowohl mit einem Goya als auch dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet, basiert auf der 2007 erschienenen gleichnamigen Graphic Novel der US-Amerikanerin Sara Varon. Aus dieser Herkunft übernimmt das Animationsteam von »Robot Dreams« den Stil der »Ligne claire«, der wiederum eine Ausprägung der französisch-belgischen Comic-Schule ist und als dessen wahrscheinlich bekanntester Vertreter Hergé mit seinen »Tim und Struppi«-Storys gilt. Die Kennzeichen der »Ligne claire« sind ein schmaler, schwarzer Konturstrich, der die Umrisse von Figuren und Gegenständen festlegt, eine flächig-einfarbige Ausmalung ohne Verläufe, der ökonomische Umgang mit Schatten und Schraffuren, aber auch und nicht zu vernachlässigen: die geradlinige Erzählung. Das Ziel ist Vereinfachung, Schlichtheit in jeder Hinsicht, ohne dabei in Simplifizierungen zu verfallen. Mit seiner liebevoll entworfenen, bis ins kleinste Detail einfallsreich angeräumten, gemalten Welt stellt »Robot Dreams« ein glänzendes Exempel jener hohen Kunst dar, aus dem frei flottierenden Garn der Fantasie Gedanken und Gefühle wie Gold zu spinnen.

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