Kritik zu The Rite – Das Ritual
Der Teufel steckt im Detail oder: Was tut ein Amerikaner in Rom? Er lernt Exorzismus, dabei gibt es doch da schon diesen einen Film aus den 70ern . . . Der schwedische Regisseur Mikael Håfström versucht sich am alten Ritual
Bei dem Exorzismus einer von ihrem Vater vergewaltigten schwangeren 16-Jährigen fragt der von Anthony Hopkins gespielte unorthodoxe Pater Lukas seinen zweifelnden Schüler Michael keck: »Was haben sie erwartet? Verdrehte Köpfe und Erbsensuppe?« Er spielt damit auf die ikonografisch gewordenen, grün-schleimigen Spuckorgien und Verrenkungen der von Linda Blair verkörperten 12-jährigen Besessenen aus Der Exorzist von 1973 an. Der Klassiker von William Friedkin ist die böse Mutter aller Teufelsaustreiberfilme. In Deutschland war der Film, in dem ein besessenes Mädchen, das von einem Geistlichen (Max von Sydow) per Exorzismus von ihren Leiden befreit wird, lange Jahre auf dem Index. Erst als der Film im Jahr 2000 erneut und erfolgreich als verlängerter Director’s Cut vermarktet wurde, hat eine Neubewertung des mit zwei Oscars ausgezeichneten Genreklassikers durch die FSK stattgefunden. Seither ist Der Exorzist in Deutschland ab 16 Jahren freigegeben. Seit nunmehr 38 Jahren versuchen Horrorfilmemacher, mit Sequels und Neuinterpretationen einen ebenso verstörenden Schocker an den Start zu bringen. Erfolgreich sind Exorzistenfilme aber immer dann, wenn sie gar nicht erst versuchen, sich mit dem Original zu messen. Die deutschen Regisseure Hans-Christian Schmid und Daniel Stamm haben beispielsweise mit Requiem (2006) und Der letzte Exorzismus (2010) ebenso innovative wie preisgünstige Variationen des Themas vorgelegt.
Nun versucht also Schauspielschwergewicht Anthony Hopkins als Pater Lukas in The Rite, in die ausgelatschten Fußstapfen des Exorzisten Max von Sydow zu treten und dem ungläubigen amerikanischen Seminaristen Michael Kovak (Colin O’Donoghue) bei einer Exorzistenausbildung im Vatikan die Augen zu öffnen. Der Sohn eines Bestatters (Rutger Hauer) glaubt erst nicht an Gott, und dann, wenn es drauf ankommt, nicht an sich selbst. Dem schwedischen Regisseur Mikael Håfström (Zimmer 1048) scheint das Dilemma bewusst, in dem er sich mit diesem neusten Exorzisten-Aufguss befindet. Er muss sich am Original messen, findet aber keinen neuen Zugang zu dem zu oft wiederholten Ritual. Auch Kameramann Ben Davis (Kick-Ass, Immer Drama um Tamara) bemüht die zwar edel aussehenden, aber abgenutzten und immer gleichen Vorbilder.
Ein Lichtblick in diesem düsteren Déjà-vu ist der stets routinierte Hopkins, der in der zweiten Hälfte des Films, als auch er von einem Dämon besessen ist, zu mimischer Höchstform aufläuft. Schon bei Das Schweigen der Lämmer konnte man sich davon überzeugen, welch diabolisches Potenzial in Hopkins schlummert. An dieser Stelle sei ausdrücklich auch auf die hervorragende Arbeit von Hopkins’ altgedientem Synchronsprecher Joachim Kerzel (der auch Jack Nicholson, Dustin Hoffman und Jean Reno spricht) hingewiesen, der in The Rite trotz angeschlagener Gesundheit voll zu überzeugen weiß. In das unheimliche Grollen von Kerzels Stimme hat sich eine Verletzlichkeit geschlichen, die dem desillusionierten Geistlichen Lukas, der plötzlich selbst vom Bösen übermannt wird, zusätzliche Tiefe verleiht.
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