Kritik zu Rich Flu
Ein vermeintlicher Virus tötet zuerst Milliardäre, dann Millionäre und stellt die Verhältnisse der Welt auf den Kopf, als die Reichen zu Flüchtlingen vor ihrem eigenen Reichtum werden
Ach, hätten sie es doch gelesen – das Buch, das ihr Arbeitgeber Sebastian Snail (Timothy Spall), ein superreicher, sich als Wohltäter gebender Medienunternehmer, seinen Mitarbeitern zum Abschied nach einer Konferenz mit auf den Weg gegeben hat. Dann hätten sie sich vielleicht besser vorbereiten können auf das, was ihnen bevorsteht. Dafür hätte schon der eine Satz gereicht: »Ein Mann ist reich im Verhältnis zur Zahl der Dinge, auf die er verzichten kann« – die Essenz des 1854 erstmals veröffentlichten Buches »Walden. Or Life in the Woods«, von Henry David Thoreau verfasst, nachdem er zwei Jahre lang in einer selbst gezimmerten Blockhütte gelebt hatte. Zusammen mit seinem Essay »Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat«, von der antiautoritären Bewegung Ende der sechziger Jahre wiederentdeckt, dienten diese Texte später allerdings auch Rechtsterroristen als Legitimation. In Rich Flu ist beides präsent, der forcierte Zusammenbruch der kapitalistischen Ordnung und die Errichtung einer neuen Zivilisation.
Während Laura (Mary Elizabeth Winstead), die Protagonistin des Films, dank Intrigen gegen eine Konkurrentin gerade die nächste Stufe der Karriereleiter erklimmt, geht Merkwürdiges in der Welt vor: Todesfälle unter mächtigen Männern häufen sich innerhalb weniger Tage; kurz vor ihrem Tode entblößen die Betroffenen unwirklich blendend weiße Zähne. Die Rede ist von einem Virus, der nur die Reichen befällt – Grund zur Beunruhigung, hat Lauras Chef ihr doch gerade ein beträchtliches Aktienpaket zukommen lassen.
Was sich nun in einen Fluch verkehrt, plötzlich versuchen die Reichen, ihren Reichtum kleinzureden oder sich dessen zu entledigen. Das kulminiert in einer absurden Szene auf einem Golfplatz, wo die Wohlhabenden sich um Plätze in den bereitstehenden Hubschraubern prügeln. Diese Flüchtenden wollen ihr Heil nun in der Ferne suchen, wo niemand um ihren Reichtum weiß.
37 Jahre nach der britischen Satire »Eat the Rich«, deren Titel wörtlich zu nehmen war, ist solch ein Gewaltakt nicht mehr notwendig, die Reichen zerstören sich selber von innen heraus. Funktioniert der Film bis dahin als Gesellschaftssatire, so wird diese fortan konterkariert von der Verzweiflung der Protagonistin und ihrer möglichen Läuterung angesichts auf den Kopf gestellter Rollen zwischen »Erster« und »Dritter« Welt.
Laura, ihrem Nochehemann Tony, ihrer Tochter Anna und Lauras Mutter gelingt es schließlich, mit einem Boot aufs Meer zu entkommen. Nach traumatischen Erlebnissen finden sie sich in einem Zeltlager zwischen schwarzafrikanischen als weiße Flüchtlinge wieder.
Kleine Momente von Solidarität stehen Selbstsucht und Verrat gegenüber, bis sich die Überlebenden an einem afrikanischen Strand in einer Siedlung mit Schilfhütten sammeln. Beginnt hier eine neue Zivilisation mit einem allmorgendlichen Ritual? Paulas Verhalten deutet eher darauf hin, dass kapitalistische Wertvorstellungen überleben werden – keine Erlösung also.
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