Kritik zu Queen of Earth
Zwei Frauen – Elisabeth Moss und Katherine Waterston – und ein Haus am See: Der amerikanische Independent-Regisseur Alex Ross Perry erzählt in seinem Film vom Ende einer Freundschaft und von der ausweglosen Selbstbezogenheit einer ganzen Generation
In seinem Film »Queen of Earth« gelingt dem Regisseur Alex Ross Perry ein schönes kleines Kunststück. Er nimmt eine simpel anmutende Geschichte und gibt ihr durch kleine Kniffe etwas Persönliches, ja sogar eine Art grundsätzlicher Gültigkeit. Durch das beiläufige Einfangen von Stimmungen und Sinnlichkeiten, die Verortung in einem bestimmten Milieu und die präzise Beobachtung zwischenmenschlicher Dynamiken.
Es geht in »Queen of Earth« um zwei Frauen um die dreißig, Catherine (Elisabeth Moss) und Virginia (Katherine Waterston), die seit der Schule beste Freundinnen sind. Zu Beginn wird Catherine von ihrem Freund verlassen. Der Mann bleibt dabei eine sanfte Stimme aus dem Off, die Szene spielt sich allein in der Großaufnahme von Catherines hysterisch-verheultem, von Schminke verschmiertem Gesicht ab und changiert – allein das ist bereits von großer Wahrhaftigkeit – zwischen Tragik und Groteske. Erschwert wird Catherines Lage durch den kürzlichen Suizid ihres Vaters, eines berühmten Künstlers, dessen Geschäfte sie managte. Um ihren zweifachen Kummer zu verwinden, besucht sie ihre Freundin in deren Strandhaus in den Hamptons. Aber die erhoffte Idylle wirkt von Anfang an gestört. Catherine verhält sich schnippisch, und über Virginias Verständnis scheint ein Schleier aus eigenen schmerzhaften Erinnerungen zu liegen. In Rückblenden zeigt Perry, dass die Frauen bereits im Sommer zuvor gemeinsam in dem Haus waren. Damals hatte Catherine ihren Freund mitgebracht und die Harmonie dadurch empfindlich gestört. Diesmal läuft es umgekehrt: Virginia lässt eine frühere Affäre mit dem Nachbarn Rich (Patrick Fugit) aufleben; Catherine fühlt sich dadurch immer isolierter und gleitet zunehmend in paranoide Wahnvorstellungen ab.
In seiner kühlen Schilderung eines psychischen Verfalls und einer von Zuneigung zu Aversion gehenden Freundschaft erinnert »Queen of Earth« an Bergmans »Persona« sowie an Polanskis »Ekel«; auch an Fassbinder muss man denken. Aber trotz solcher Bezüge findet Perry einen ganz eigenen Tonfall. Er inszeniert seine Geschichte als Mischung aus Psychodrama, Farce und Horrorfilm, verweigert zugleich die gewohnte Dramaturgie aus Konflikt, Katharsis und Versöhnung. Das klassische Gruselsetting eines isolierten Hauses am See verstärkt eine Atmosphäre des Unheimlichen, aber es passiert praktisch nichts. Das größte Grauen für die Freundinnen ist es, sie selbst zu sein. Tiefe Verletzungen fügen sie sich mit schneidenden Worten zu, wenn sie schonungslos die Schwächen der anderen offenlegen. Innerhalb eines Gesprächs kann der Ton von freundschaftlich zu beleidigend und wieder zurück zu freundlich wechseln. Insbesondere Catherine pendelt zwischen Seelenschmerz, Stärke und wahnhaft-aggressivem Furor.
Das ist ungemein präzise inszeniert und gespielt, und passend dazu changiert die Kamera zwischen Naturalismus, impressionistischen Naturaufnahmen sowie der beklemmend expressiven Darstellung von Catherines Wahnvorstellungen. Die disharmonischen Klänge des elektronischen Soundtracks stehen im Kontrast zu Vogelgezwitscher, dem sanften Rauschen der Blätter und den Strömungsgeräuschen des nahen Gewässers. Die Natur ist in ständiger Bewegung, während die beiden Frauen vor allem um sich selbst kreisen.
»Du bist eine verwöhnte Göre«, sagt Rich einmal zu Catherine. Tatsächlich trifft die Charakterisierung auf alle Figuren zu. Virginia lebt im Landhaus ihrer reichen Familie vor sich hin; auch Rich (welch vielsagender Name) scheint keiner sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Wenn man so will, stehen die drei für die Selbstbezogenheit einer modernen Wohlstandsgeneration. Sympathisch ist keiner von ihnen, interessant werden sie, weil Perry uns in ihren Verhaltensweisen ein wenig auch den Spiegel vorhält. So wird aus dem zeitlos-intimen Porträt zweier Frauen auch die Miniatur eines im Hier und Jetzt verorteten Sittengemäldes.
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