Kritik zu Plötzlich aufs Land – Eine Tierärztin im Burgund
Die Wiederentdeckung der Provinz ist auch in dieser französischen Tragikomödie das Hauptthema – diesmal in Form einer angehenden Wissenschaftlerin, die unfreiwillig als Tierärztin im grünen Morvan strandet
Hier die sterile Sphäre der Forschung, mit Zellkulturen unterm Hightech-Mikroskop, Kollegen in blütenweißen Kitteln, die Hochsprache beherrschen, wo erkleckliche Gehälter und Ruhm winken. Dort kratzendes, verängstigtes Getier, uraltes Equipment, dreckige Gummistiefel, zahnlos nuschelnde Menschen in Ställen, und ein Mini-Salär, das öfter mal auch in Quiche-Form gezahlt wird. Welchen Job würde eine frisch diplomierte, zielstrebige Veterinärin wohl vorziehen? Nicht erst seit Doc Hollywood fällt in der Welt des Films die Wahl konsequent auf die Underdogs in der Provinz. Insofern ist auch die Handlung dieser Landkomödie, in der die angehende Mikrobiologin Alex (Noémie Schmidt) von ihrem Onkel Michel unter Vortäuschung einer Krankheit in ihr Heimatdorf zurückgelockt wird, grob absehbar.
Tierarzt Michel verabschiedet sich plötzlich in den Ruhestand und empfiehlt seinem Kompagnon Nicolas, mit dem er eine Landpraxis betreibt, seine Nichte Alex als Nachfolgerin. Aufgrund mysteriöser Autopannen willigt Alex ein, über den Sommer auszuhelfen. Dass die Wissenschaftlerin in spe eine schroffe Person ist und Herrchen und Frauchen ungerührt die Meinung geigt, sorgt zunächst für Ärger – auch mit dem gestressten Nico, der Alex ihre vermeintliche Empathielosigkeit vorwirft. Mit Tieren kommt Alex, die eine Ratte auf der Schulter trägt, besser klar als mit Menschen.
Das Regiedebüt von Julie Manoukian (Tochter des Komponisten und Pianisten André Manoukian) krankt an Alex' nur ansatzweise ausbuchstabierter Familiengeschichte, die den allzu dünnen Vorwand für den Charakter der Heldin liefern muss und zu viel Platz in der Handlung einnimmt. Überaus dankbar ist dagegen das Thema »Der Doktor und das liebe Vieh«. Zwischen Viehbauern und Haustierhaltern, depressiven Hunden, Schildkröten mit Panzerbruch und trächtigen Kühen werden auf unsentimentale Weise die Paradoxien und Spiegelungen der Mensch-Tier-Beziehungen ausgemalt. Höhepunkt der Authentizität ist eine »Real-life«-Szene, in der die Veterinärin einem Kälbchen auf die Welt hilft.
Die übergreifende Prämisse, die wie zuvor in »Der Landarzt von Chaussy« und »Ein Dorf zieht blank« auch dieser Landkomödie ihre Intensität verleiht, ist der Teufelskreis der Landflucht. Mit Alex begreift man, dass für vereinsamte Bauern ihre Tiere und der Tierarzt – zur Not auch in junger, weiblicher unerfahrener Version – die letzten Anker sind. Nicos Bemühen, jungen Veterinären die Gegend schmackhaft zu machen, spiegelt sich sogar im deutschen Filmuntertitel (Eine Tierärztin im Burgund), der wohl liebliche Rebenhügel suggerieren soll. Gemeint ist aber das Morvan, eine raue Berggegend, in die sich kaum ein Tourist verirrt.
Unerwartete Aktualität gewinnt diese Hommage an Tierärzte und das Leben auf dem Lande außerdem durch die Zeitläufe, hat sich Alex doch der Erforschung von durch Tiere ausgelösten Pandemien verschrieben. Ländliche Tierärzte, so wird nebenbei klar, sind das erste Bollwerk gegen Seuchen.
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