Kritik zu Playland USA
In seinem experimentellen Filmessay interessiert sich Benjamin Schindler vor allem für die fließende Grenze zwischen Erfindung und Wirklichkeit
Ein Film aus Fetzen, Schnipseln, Impressionen: die Geschichte der USA als lose Abfolge unterschiedlichster Bilder und Bilderfolgen, als stilisierter Essay über Politik, Religion und Historie, als kühne Montage aus Vorgefundenem, Rekonstruiertem und für die Kamera Inszeniertem. Keine Doku, kein Lehrfilm entsteht da, aber auch keine abstrakte Kunst, kein hermetisches Experiment – sondern etwas dazwischen, ein ganz eigener Stil.
Der deutsche Regisseur Benjamin Schindler liefert mit »Playland USA« ein kapriziöses Debüt ab. Schindler hat Kunst studiert, und das sieht man. Seine Bilder mit ihren majestätischen Fahrten und grandiosen Widescreen-Kompositionen sind von großer ästhetischer Kraft, von erlesener Schönheit; sie sprechen meist für sich, kommen ohne Voice-over und strukturierende Elemente aus. Schindler bringt sie in einen langen, assoziativen Fluss, lässt vieles für sich stehen, sucht nicht einmal nach Bedeutung oder Wertung. Er ist kein Geschichtenerzähler, auch kein Analytiker, eher ein Formalist auf der Suche.
Trotzdem folgt der Film einer durchaus gestrengen Chronologie: von den ersten Siedlern über den Marsch nach Westen bis zur Schießerei am O.K. Corral, vom Bau der Eisenbahn über die Mondlandung bis zur Gegenwart. Häufig entstehen die Aufnahmen in Museen oder Gedenkstätten, wo bedeutende historische Szenen nachgestellt werden. Oft sprechen deren Protagonisten auch direkt in die Kamera. Manchmal laufen Touristen ins Bild, machen ein paar Fotos und akzentuieren so das wichtigste Stilprinzip von »Playland USA«: das offene, assoziative Neben- und Ineinander verschiedener Formen und Stile.
Einige rote Fäden schälen sich im Lauf der Zeit aus der »Erzählung« heraus: Etwa die Religion, die in all ihren Ausprägungen wie ein Fundament der amerikanischen Gesellschaft erscheint. Oder die Frage nach der Grenze zwischen Fiktion und Realität, die sich gerade in den USA, wo Hollywood und die Medien ihre ganz eigene Geschichtsschreibung betreiben, immer dringender stellt. Einmal steht ein Mann vor einem doppelten Spiegel und beschreibt seine Verwirrung über die Tatsache, dass ein fiktiver Charakter aus einer Realityshow jetzt Präsident der Vereinigten Staaten ist.
Ein anderes Phänomen: Superhelden, die immer wieder im Alltag auftauchen – Superman als Denkmal, Spiderman als Touristenattraktion am Times Square. Sie sind längst Teil der amerikanischen Wirklichkeit (und damit ebenfalls Grenzgänger zwischen Erfindung und Wahrheit), genau wie die Aliens, von deren Existenz offenbar viele Amerikaner überzeugt sind. Ganz besessen ist der Film auch von Lichtspielen aller Art, von Neonzeichen, von Sonnenauf- und -untergängen, von illuminierten Großstädten und am Ende gar von der Landung eines undefinierten Flugobjekts auf einer nächtlichen Pyramide – gefilmt und musikalisch untermalt im Stil einer berühmten Szene aus »Blade Runner«.
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