Kritik zu Onoda – 10.000 Nächte im Dschungel
Der französische Regisseur Arthur Harari verfilmt die wahre Geschichte des japanischen Leutnants Hirô Onoda, der im Zweiten Weltkrieg auf einer Philippinen-Insel kämpfte – und erst dreißig Jahre später aufgab
Wer bisher die Figur des Kamikaze-Piloten für die extremste Ausprägung des Soldaten hielt, der für das Vaterland in einem »heroischen« Akt sein Leben lässt, wird von diesem Film eines Besseren belehrt. Sein Protagonist ist Leutnant Hirô Onoda, der im Dezember 1944 als Zweiundzwanzigjähriger in den Pazifikkrieg ziehen will. Eigentlich als Pilot, aber das scheitert an seiner Höhenangst. Sein Vorgesetzter jedoch muntert den am Boden Zerstörten auf und macht ihm klar, dass er eine andere Berufung habe. Im Bereich der geheimen Kriegsführung lautet die erste Regel für die Rekruten: »Ihr habt nicht das Recht zu sterben!« Das ist für jemanden, der den großen Heldentod anvisierte, ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Vorgabe, dass »der einzige Ruhm der geheimen Kriegsführung die Integrität ist«.
Onoda wird mit einem Dutzend Soldaten auf der Philippinen-Insel Lubang eingesetzt; seine Aufgabe ist es, den »totalen Widerstand« zu organisieren, bis die japanischen Truppen die – von den Amerikanern längst verlassene – Insel zurückerobern. Dazu gehört es, die Felder der Bauern regelmäßig abzubrennen, damit sie in ständiger Furcht leben. Durch Desertion und bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Inselbewohnern reduziert sich Onodas Trupp immer weiter, am Ende bleibt er allein übrig. Da liegt das Kriegsende schon fast dreißig Jahre zurück.
Die Geschichte von japanischen Soldaten, die weiterkämpften, als das Land schon kapituliert hatte, kennt man aus Josef von Sternbergs Spätwerk »The Saga of Anatahan«. Das ist keine Fiktion, entweder waren die Soldaten von der Kommunikation abgeschnitten, wussten also nichts von der Kapitulation – oder aber sie waren nicht bereit, diese anzuerkennen. Im Fall von Onoda, einer historischen Figur, die tatsächlich erst 1974 und nur auf persönlichen Befehl seines einstigen Kommandeurs aufgab, trifft das Letztere zu: Selbst als Anfang 1950 sein eigener Bruder und sein Vater auf die Insel kommen und ihn durch Lautsprecher vom Ende des Krieges unterrichten, glaubt er ihnen nicht. Auch die Zeitungen und Zeitschriften, die sie ihm und seinem letzten verbliebenen Untergebenen überlassen, können ihn nicht umstimmen. Der Rock-'n'-Roll-Song, der aus dem Transistorradio ertönt, befremdet sie zwar, aber immerhin wird dieses Gerät zu einem Tor, durch das die Außenwelt eindringt, einschließlich der Mondlandung 1969.
Der französische Filmemacher Arthur Harari (»Schwarzer Diamant«) hat »Onoda« als »Abenteuerfilm« konzipiert. Mit der Geschichte vom Mann, der im Dschungel der Gefahr trotzt, kann er dabei auf ein bewährtes Muster zurückgreifen. »Onoda« ist aber auch ein Kriegsfilm – einer, der konsequent aus der Perspektive seines Protagonisten erzählt. Der Gegner bleibt in der Distanz, nur zwei Mal ändert sich das: Als bei einem Feuergefecht ein verwundeter Bauer in die Gefangenschaft der drei Soldaten gerät und als später eine Frau auf der Flucht vor einem Taifun bei den beiden verbliebenen Männern auftaucht. Beide Begegnungen enden tödlich. Da kippt die verhaltene Erzählweise, die sonst den Film einnimmt, in Gleichgültigkeit um, und man fragt sich, ob das Verharren im Blickwinkel des Protagonisten nicht einen zu hohen Preis fordert.
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