Kritik zu Nur ein Sommer
Arbeitsmigration und Liebesleben: Im Film der deutschen Regisseurin Tamara Staudt zieht eine Frau aus Eberswalde zur Saisonarbeit auf eine Schweizer Alm und macht dort die Erfahrung neuer Lebensmöglichkeiten
Die Arbeit verschwindet aus dem Osten Deutschlands. Das ist im Kino einige Male beschrieben worden, als Bild dafür diente meist ein wenig klischeehaft der geschlossene Tagebau als industrielle Brache und landschaftliche Leerstelle. Dass irgendwann auch die Leute verschwinden aus dem Osten Deutschlands, weil sie die Arbeit zum Leben brauchen, war bislang eher seltener Gegenstand filmischer Entwürfe.
Insofern ist Tamara Staudts bittersüßer Film »Nur ein Sommer« über eine Frau aus Eberswalde, die sich zur Saisonarbeit auf einer Schweizer Alm entschließt, zu begrüßen. Und man kann diesem Film vieles zugutehalten. Er hat ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür, was Arbeit ist – die Abläufe auf der Alm, das Viehtreiben, Melken, Käsezubereiten, macht er auf eine fast dokumentarische Art anschaulich. Er hat eine Ahnung davon, dass sich in Eberswalde und auf der Alm zwei Lebensentwürfe gegenüberstehen, in denen das soziale Modell Familie – aus wenn auch verschiedenen Gründen – erodiert. Und der Film kennt das soziale Milieu, in dem er spielt: der mazedonische Flüchtling Mehmed (Oliver Zgorelec), der sich ebenfalls als Arbeitskraft in den Schweizer Bergen verdingt, spricht deutsch mit Schweizer Akzent, während die Schweizer ein solches Schweizerdeutsch sprechen, dass der Film zu untertiteln sich nicht scheut.
Hauptfigur ist Eva Grünberg, eine selbstbewusste 35-Jährige, Mutter eines fast erwachsenen Sohnes, geschieden, aber lebensfroh, liiert mit dem jüngeren Marco (Steve Windolf), wie die Mutter (Ursula Karusseit) nicht anzumerken vergisst. An Eva, die mit Anna Loos nicht unpassend besetzt ist, spürt man die dramaturgische Beratung durch Wolfgang Kohlhaase, die Tamara Staudt beim Drehbuchschreiben in Anspruch nahm. Eva sagt deutlich vernehmbar »Ick«, wenn sie ihre Arbeitsbiografie – »drei ABMs und anderthalb Umschulungen« – referiert, um daraus ihren Anspruch auf Glück abzuleiten.
Also zieht Eva in die Berge und landet in einem Beziehungsgeflecht, das auch privat neue Möglichkeiten offenbart. Neben Mehmed begeistert sich Arbeitgeber Daniel (Stefan Gubser) für die zupackende Melkerin, nicht zuletzt weil sie den für bäuerliche Lebensgemeinschaften unabdinglichen Fleiß mitbringt. Leider aber inszeniert Tamara Staudt die amourösen Verwicklungen reichlich unentschieden und bisweilen betulich. Dass »Nur ein Sommer« sich relativ früh die Chance auf größere gesellschaftliche Relevanz vergibt, um das Private zu Zwecken der Unterhaltung zu betonen, mag man verstehen. Dass die amourösen Verwicklungen sich aber so zäh gestalten, zumal bei einer so wenig verzagten Frau wie Eva, bleibt unverständlich. Der Grund dafür liegt, neben Schwächen in der Inszenierung, in der Zeichnung der Männerfiguren, vor allem Mehmed und Marco, die blass und einfältig erscheinen. Die schale finale Pointe ist schließlich Ausdruck der Zerrissenheit eines Filmes, der aus verheißungsvollen Ansätzen und schönen Momenten leider zu wenig macht.
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