Kritik zu Neneh Superstar
Dünn bleiben ist ihr kleinstes Problem: Als einziges schwarzes Mädchen in einer blütenweißen Ballettklasse muss die zwölfjährige Neneh gegen Tradition und Vorurteile antanzen
»Schneewittchen ist weiß!«, sagt Marianne, die Leiterin der Ballettschule, kategorisch, als es um die Besetzung einer Schulaufführung geht. Merkwürdig, dass Neneh, das einzige schwarze Mädchen in einem blütenweißen Ballettinternat der Pariser Oper, gerade diese sie offen ablehnende Lehrerin so verehrt. Doch zwischen Marianne und der aufmüpfigen Elevin existiert ein geheimes Band.
Das unprätentiöse kleine Drama gehört zum Subgenre von Jugendfilmen, in denen Außenseiter aus den Vorstädten in die heiligen Hallen französischer Hochkultur vordringen. Neneh tanzt in ihrer Freizeit zu Rap, ansonsten aber werden Klischees von Kriminalität und schwierigem Umfeld vermieden. Während ihre Mutter skeptisch ist, genießt die Zwölfjährige die Unterstützung ihres Vaters. »Rassismus gibt es überall, du musst damit klarkommen«, rät er seiner Tochter. Die Konkurrenz der auf Erfolg gedrillten Mädchen aus dem 16. Arrondissement, die sich ständig über Diäten austauschen, ist auch Ausdruck eines Klassenkampfes von oben nach unten.
Daneben werden im praktischen Detail die Überlegungen innerhalb der Institution deutlich gemacht, deren Lehrer zwischen Tradition und Offenheit für Diversität die Balance wahren müssen. Mit anderen Worten: Ihrer Hautfarbe entkommt Neneh nicht. In einem so züchterischen Umfeld diskutiert man ungeniert ihre Morphologie: Werden sich ihre Beinmuskeln in die Länge oder in die Breite entwickeln? Werden ihre Brüste »Granaten« wie die ihrer Mutter? Gespiegelt wird Nenehs Gefühl eines ewigen »Misfits« von Primaballerina Marianne, die eigentlich Myriam heißt, und die in ihrer Hingabe an den Spitzentanz unter Schmerzen ihre Identität begraben hat. Nicht die kleinste Ironie besteht darin, dass Hauptdarstellerin Oumy Bruni Garrel das Adoptivkind zweier prominenter Schauspieler ist, also selbst der Oberschicht angehört. Insgesamt ein Drama mit mehr Tiefe, als man es im Hinblick auf den launigen Titel erwarten durfte.
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