Kritik zu Nachtwald – Das Abenteuer beginnt
»Der besondere Kinderfilm« ist eine Initiative zur Förderung originärer Filmstoffe. Hier hat das hervorragend geklappt: »Nachtwald« macht aus der Reise zweier Freunde durch einen Wald in der Schwäbischen Alb ein seelisches Abenteuer
Schade, dass dieser Film erst jetzt in die Kinos kommt, denn hier wird ein klassisches Sommerabenteuer erzählt, das in der Adventszeit ein wenig deplatziert wirkt. Corona brachte so manchen Starttermin ins Wanken, und das ist gerade bei »Nachtwald«, der aus der Schmiede des »besonderen Kinderfilms« mit seinen originären Stoffen stammt, wirklich bedauerlich.
Für Paul und Max beginnen die Sommerferien. Beide blicken eher skeptisch auf die folgenden Wochen, denn während Max sich vor der Strafe seines Vaters wegen des miserablen Zeugnisses fürchtet, soll bei Paul der neue Freund der Mutter ins Haus einziehen. Dabei ist Pauls Vater erst seit einem Jahr verschwunden – während er auf der Suche nach einer sagenumwobenen Höhle war, in der festen Überzeugung, diese verberge sich unter dem Ursulenberg in der Schwäbischen Alb. Aber da er psychische Probleme hatte, glaubte ihm diese Geschichte niemand.
Paul und Max reißen aus, um die Höhle zu finden. Einerseits ist es eine klassische Abenteuerwanderung, die aus bekannten Versatzstücken besteht: kein Geld und zu wenig Essen dabei, vergiftete Pilze, ein bedrohlicher Wolf, eine Hütte im Wald, der Suchtrupp dicht auf ihren Fersen. Aber »Nachtwald« erzählt weit mehr und nimmt sich Zeit, anhand des Settings und bekannter Genremotive die Freundschaft der Jungen nicht nur zu beschreiben, sondern ihre Beziehung an den Herausforderungen wachsen zu lassen. So offenbaren sie einander letzte Geheimnisse, wenn Max seinem Freund die blauen Flecken infolge der väterlichen Prügel zeigt und Paul später weinend von seiner Angst erzählt, genauso verrückt zu werden wie sein Vater. Das sind sehr intime Geständnisse, und wie die zwei damit umgehen, zeugt von Zuneigung und großem Vertrauen.
Levi Eisenblätter als Paul und Jonas Oeßel als Max glänzen in ihren Rollen. Die Kamera kommt ihnen oft sehr nahe, und die langsame Erzählweise lässt Raum für Emotionen, die von den Jungdarstellern authentisch gemeistert werden. Dokumentarfilmer André Hörmann legt hier in der Co-Regie mit Kathrin Milhan sein Spielfilmdebüt vor, gemeinsam schrieben sie auch das Drehbuch. Es geht ihnen viel mehr um die emotionale Situation der beiden Freunde als um dramatische Action, zu der der dunkle Wald verleiten könnte. Aber es sind die Glühwürmchen, die am Nachtlager die Jungs umschwirren, und es ist das Baden im See, dem mehr Zeit gegeben wird als dem eingangs erwähnten Wolf. Paul und Max sind auf ihrer Heldenreise vor allem mit sich selbst konfrontiert, der dunkle Wald wirkt mal beschützend, ein anderes Mal bedrohlich, aber immer wieder tun sich Lichtungen auf, ergeben sich Blicke ins Weite, oder die Sonne erstrahlt über dem Berg, um die Freunde hoffnungsvoll voranzutreiben.
Selbst aus der Reihe des besonderen Kinderfilms ragt »Nachtwald« heraus: intensiv, ehrlich und emotional spannend.
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