Kritik zu Nachspiel
In ihrem dritten Dokumentarfilm zum Thema Fußball porträtieren Christoph Hübner und Gabriele Voss die Karrieren dreier Profis
Dokumentationen über die wichtigste Nebensache der Welt sind keine Seltenheit. Auch der Fokus auf Borussia Dortmund ist nicht ungewöhnlich. Mit seinen bemerkenswerten Mehrteilern über Mario Götze und der Amazonserie »Inside Borussia Dortmund« hat etwa Aljoscha Pause den Revierclub durchleuchtet. Im Gegensatz zu diesen Hochglanzfilmen eröffnet der Dokumentarfilm »Nachspiel« eine völlig andere Dimension.
Im dritten und letzten Teil ihrer faszinierenden Langzeitbeobachtung, die 1998 mit »Die Champions« begann und 2009 mit »Halbzeit« fortgesetzt wurde, zeichnen Christoph Hübner und Gabriele Voss die unterschiedlichen Lebens- und Karrierewege dreier Profis nach, deren Schicksale eng mit dem BVB verknüpft ist. Als visuelle Klammer fungiert dabei eine wiederkehrende Vogelperspektive auf den Anstoßkreis. Spieler bewegen sich hinein und verschwinden wieder daraus: Eine gelungene Metapher dafür, dass der (Fernseh-)Zuschauer nur einen beschränkten Ausschnitt des Ganzen wahrnimmt.
»Nachspiel« ist gegenläufig montiert. Bilder vom Karriereende der drei Ex-Profis Florian Kringe, Heiko Hesse und Mohammed Abdulai werden kombiniert mit Szenen vom Beginn ihrer Laufbahn. Dem Film gelingt so der Spagat zwischen persönlichen Porträts und präzisen Einblicken in die Maschinerie des Fußballgeschäfts. Zwei Beobachtungen verdeutlichen, dass das Business inzwischen in etwa so kleinteilig strukturiert ist wie die Filmindustrie.
So wird in einer Szene gezeigt, dass jene CGI-Technologie, mittels welcher in »Herr der Ringe« die virtuelle Figur des Gollums entstand, nun für medizinische Zwecke nutzbar gemacht wird. Dank »Motion Capturing« nämlich lässt sich anhand des sichtbar gemachten Bewegungsschemas eines Fußballers auf dessen Hüftschaden rückschließen. In der anderen Szene demonstriert Kringe, inzwischen als Berater tätig, einen digitalen Katalog. Man kann schier unendlich viele Spielszenen anklicken, die das Potenzial von praktisch jedem einzelnen Nachwuchskicker in mannigfaltigen Spielsituationen illustrieren. Da wird einem beim bloßen Hinsehen schwindelig.
Seine Spannung bezieht der Film auch aus den unterschiedlichen Biografien. So setzte Kringe, der beim BVB kurzzeitig Stammspieler war, ohne den ganz großen Durchbruch zu schaffen, seine Laufbahn auch nach Beendigung der aktiven Karriere im Profifußball nahtlos fort. Die anderen beiden kehrten dem Geschäft den Rücken. Während Hesse, der einen thailändischen Migrationshintergrund hat, an der Universität durchstartete und nun dank seinem Job bei der EU-Kommission auch Vorlesungen in Wirtschaftswissenschaft abhält, jobbt Abdulai als Busfahrer. Diese unterschiedlichen Karriereverläufe werden nicht direkt kommentiert. Aufgrund der großen Nähe zu den Protagonisten lässt der Film allerdings einigen Spielraum für Assoziationen. Dank der beeindruckenden Vielschichtigkeit der Beobachtungen zählt »Nachspiel« zu den interessantesten Fußballdokumentationen der vergangenen Jahre.
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