Kritik zu In mir tanze ich – Das Klezmer Projekt

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2023
Original-Titel: 
A dentro mio estoy bailando
Filmstart in Deutschland: 
30.05.2024
L: 
110 Min
FSK: 
Ohne Angabe
S (OV): 

Zwei Argentinier auf semidokumetarischem Roadtrip durch Osteuropa versuchen der musikalischen Tradition der Klezmer-Musik auf die Spur zu kommen

Bewertung: 3
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Klezmer ist eine aus dem osteuropäischen Judentum stammende Volksmusiktradition. Verbreitet sind die markanten Harmonien, die gerne auf Hochzeiten und anderen Festivitäten angestimmt werden, in der ganzen Welt. Man hört sie auch in der argentinischen Diaspora, wohin zahlreiche Juden auf der Flucht vor den Nazis emigrierten. Mit all dem hat Leandro, ein Enkel jüdischer Einwanderer, nichts mehr am Hut. Eigentlich will er Dokumentarfilmer werden. Einstweilen verdingt er sich mehr oder weniger lustlos als Kameramann, der auf Hochzeiten Erinnerungsfilme für das Brautpaar dreht.

Bei dieser Gelegenheit trifft er Paloma Schachmann, eine jüdische Klarinettistin, die virtuos Klezmer spielt. Leandro ist hin und weg. Um einen Vorwand zu haben, mit ihr in Kontakt zu bleiben, erfindet er kurzerhand ein fiktives Filmvorhaben: »Das Klezmer Projekt«. Paloma findet das toll – schon sind beide ein Paar. Aber der Möchtegern-Dokumentarfilmer hat sich damit eine Reihe kniffliger Folgeprobleme eingehandelt.

Geduld und eine gewisse Grundsympathie muss man schon aufbringen für dieses sperrig anmutende Projekt, dessen semidokumentarische Form gewöhnungsbedürftig ist. Die Liebesgeschichte zwischen Leandro und der Klarinettistin, mit improvisiert anmutenden Spielszenen erzählt, wird mit einem dokumentarischen Grundmotiv verwoben. In Wien trifft Leandro einen alten Freund, der einen Kontakt zum österreichischen Fernsehen herstellt, das das »Klezmer Projekt« tatsächlich finanziert.

Und so bricht der Filmemacher noch vor dem russischen Überfall auf, um im Länderdreieck zwischen Ukraine, Rumänien und Moldawien nach Klezmer-Musikern zu suchen, die heute noch professionell auftreten. Dummerweise treffen Leandro und sein Produzent keine einzige authentische Klezmer-Band an. Vor die Linse bekommen sie nur ältere Roma-Violinisten, deren Auftritte in farbenfrohen, pittoresken Bildern festgehalten werden. Sie haben viele Einflüsse jüdischer Musiker aufgegriffen. Aber die Musik der Roma, so interessant sie auch klingt, ist eben nicht Klezmer. Und allein für die Dokumentation über diese Musik haben die Filmemacher Geld erhalten. Eine Zwickmühle.

Dass jüdische Musiker in Osteuropa von den Nazis ermordet oder zur Emigration gezwungen wurden, erschließt sich schon. Warum aber wurden in Osteuropa Roma-Musiker zu Bewahrern der Klezmer-Kultur? Man vermisst einen Hinweis darauf, dass Klezmer-Musiker in ihrer eigenen osteuropäischen jüdischen Community aufgrund ihrer nicht sesshaften Tätigkeit marginalisiert wurden. Die kulturelle Nähe zu den Roma, die einen ähnlichen Lebensstil praktizieren, wird so im Film nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit formuliert. Mit der Geschichte des Totengräbers Yankel, vorgetragen auf Jiddisch, wird das Projekt obendrein noch etwas überfrachtet.

Interessante Aspekte hat »Das Klezmer Projekt« aber dennoch. Allein schon die Situation zweier Argentinier, die über Wien nach Osteuropa gelangen, um nach Wurzeln ihrer Kultur zu suchen, hat Potenzial. So verblüfft der zweistündige Roadtrip durch Osteuropa immer wieder mit unerwarteten magischen Momenten.

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