Kritik zu Mein Herz sieht die Welt schwarz
Helga Reidemeister stellt ein Liebespaar aus Kabul vor, das nicht miteinander leben darf, und liefert damit ein Porträt der Handlungsspielräume, der Werte und Zwänge, die in der afghanischen Gesellschaft heute herrschen
Hinterher schämt man sich ein wenig, dass man – nicht zuletzt von Titel und Untertitel »Eine Liebe in Kabul« dazu verführt – doch irgendeine Art von Kitsch erwartet hat. Sicher, hier beteuern zwei Menschen abwechselnd vor der Kamera, sich zu lieben und nicht ohneeinander leben zu können. Aber so sehr Dokumentarfilmerin Helga Reidemeister den Blick auf diese »Liebesgeschichte« auch verengt, so unweigerlich vertreiben die widrigen Umstände, die dabei zur Sprache kommen, jeden Gedanken an Gefühlsduselei.
Dabei erfährt man gar nicht so viel über das »Liebespaar«, Hossein und Shaima. Dass sie sich seit der Kindheit kennen, was ihrer Liebe besondere Tiefe verleihe, so sagen sie. Dass Shaima von ihrem Vater an einen älteren Mann »verkauft« wurde, wie es üblich ist in Afghanistan. Dass dieser Ehemann schon drei Ehefrauen hatte und außerdem die Hälfte des Brautgelds schuldig blieb. Dass ihr Vater sie deshalb zurückholte und man nun weiterverhandelt. Hossein musste unterdessen in den Krieg ziehen, weil ihm als Mittellosem nichts anderes übrig blieb. Ein Granatsplitter hat ihn zum Querschnittgelähmten gemacht, nun liegt er im Haus seiner Mutter und kann sich nur mühsam mit Krücken fortbewegen.
Wenige Außenaufnahmen des schmucklosen Kabul unterbrechen die Szenen aus dem Inneren der Häuser, wo einzelne Familienmitglieder mit überraschender Offenheit vor der Kamera ihre Meinung über die Beziehung von Hossein und Shaima kundtun. Beide Familien sind aus verschiedenen Gründen gegen die Verbindung. Hosseins Mutter zischt, dass man die Schande und die Rache des Ehemanns fürchte. In Shaimas Familie will man auf das Geld nicht verzichten, dass Shaima als Braut einbringt.
Warum soll man sich ausgerechnet für eine Liebesgeschichte aus Kabul interessieren, mag man sich am Anfang gefragt haben, am Ende aber wird klar: Es gibt kein geeigneteres Thema, um darzustellen, welche Werte und Zwänge in einer Gesellschaft herrschen.
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