Kritik zu Maria
Nach Jackie Kennedy und Lady Diana ist Maria Callas die dritte berühmte Frau des 20. Jahrhunderts, der Pablo Larraín einen Film widmet. Angelina Jolie verkörpert die Sängerin in den letzten Tagen vor ihrem frühen Tod im September 1977 im Alter von nur 53 Jahren
Der Blick führt durch eine Flügeltür aufs Piano, von dem der mit weißem Tuch bedeckte reglose Körper der großen Operndiva verdeckt ist. Um sie herum nur betreten dreinschauende Männer, der Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino), der Arzt (Vincent Macaigne), die Sanitäter mit der Bahre, französische Polizisten, und dann tritt doch noch eine Frau dazu, die Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher). Mehr als vier Jahre war Maria Callas zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr aufgetreten. Dann singt Angelina Jolies Maria quasi für sich selbst zum Abschied ein »Ave Maria«, während eine Collage ihrer nachinszenierten Auftritte läuft, Triumphe und Niederlagen, in spektakulären Bühnenkostümen und mondäner Privatgarderobe, im Blitzlichtgewitter vor Publikum, im Sonnenlicht auf der Privatyacht von Aristotle Onassis. Schließlich sieht man sie vor ihrem Pariser Domizil mit einem Kleiderständer voller Glamourkostüme, die sie mit Benzin überschüttet und verbrennt. Dann beginnt der erste von drei Akten über die letzten sieben Tage im Leben der Maria Callas.
Nach »Jackie« von 2016 über Jackie Kennedy und »Spencer« von 2021 über Lady Diana schließt der chilenische Regisseur Pablo Larraín seine Trilogie über berühmte Frauen des 20. Jahrhunderts mit »Maria« über die Callas ab. In drei Filmen versucht er, die jeweilige fragile Innenwelt hinter der glamourösen Oberfläche aufzuspüren. Immer schaut Larraín durch ein zeitlich stark verengtes Fenster auf einen Lebensabschnitt, in dem sich jede der drei Frauen radikal neu definieren muss. Waren es bei Jackie die ersten Tage nach dem tödlichen Attentat auf JFK und bei Diana Spencer die Weihnachtstage, die die Trennung von Prince Charles besiegelten, sind es nun die letzten Tage vor dem Tod, Tage, in denen die Film-Maria, befeuert von halluzinogenen Medikamenten, eine Traumpassage durch ihre Vergangenheit erlebt, quasi eine somnambul zerdehnte Version der letzten Sekunden, in denen das Leben im Schnelldurchlauf vorbeirauschen soll.
Nun ist Angelina Jolie selbst eine Diva. Statt chamäleonhaft hinter der Rolle zu verschwinden, oszillieren Schauspielerin und Rolle wie zwei Farben einer doppelt gewebten Seide, mal ist die eine deutlicher zu sehen, mal die andere, was einen interessant schillernden Effekt hat. Die Haltung, die Bewegungen, die Attitüde, die Art, wie Angelina Jolie die berühmten Roben, das Make-up mit dem starken Lidstrich, die Hochsteckfrisuren und Tücher trägt, all das ist genau beobachtet und kompetent imitiert. Aber Jolie versucht gar nicht, die Illusion einer Kopie der Callas zu geben. Stattdessen fügt sie etwas Eigenes hinzu und macht den Film so auch zum Dialog über die Zeiten hinweg, vom 20. ins 21. Jahrhundert, von Maria zu Angelina, zu einem imaginären Gespräch über Ruhm und Berühmtheit im Wechsel der Zeiten. Ein schöner Kunstgriff des Films ist, dass Angelina Jolie ihre Stimme sechs Monate lang trainiert hat, aber sie singt die Arien nur als Opernstar, dessen Stimme am Ende versagt, immer wieder digital verblendet mit der Originalstimme.
Maria Callas starb am 16. September 1977 mit nur 53 Jahren, die herbstliche Stimmung verbindet sich mit dem zur Neige gehenden Leben und prägt auch den Film, mit dunstiger Luft, buntem Laub und dem tiefen Rot von Vorhängen und Roben. Mit Vorhängen und Doppeltüren wirkt die Wohnung immer auch wie eine Bühne. Fließend inszeniert Pablo Larraín die Übergänge zwischen Realität, Traum und Erinnerung, plötzlich stehen ganze Orchester und Chöre auf Pariser Plätzen und vor Gebäuden, katapultieren die Callas ganz gegenwärtig mitten hinein in ihre großen Auftritte, nur um sich genauso plötzlich wieder zu verflüchtigen, wie Geister der Vergangenheit. Angelina Jolie spielt mit einer schläfrigen Herablassung, jede ihrer Bewegungen hat die Gravitas des Divenhaften, ist immer Pose und Inszenierung, im vollen Bewusstsein ihrer Wirkung, und dann wieder ist sie für einen Moment verloren zwischen den Zeiten.
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