Kritik zu Madame Sidonie in Japan

© Majestic Filmverleih

2023
Original-Titel: 
Sidonie au Japon
Filmstart in Deutschland: 
11.07.2024
L: 
95 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Isabelle Huppert spielt eine Schriftstellerin, die aus Kummer über den Tod ihres Mannes nicht mehr schreibt, aber zur Lesereise nach Japan fliegt

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Zum Flughafen in Paris kommt sie drei Stunden zu spät, denn eigentlich will sie gar nicht verreisen. »Zum Glück« hat auch der Flieger dementsprechende Verspätung, so dass sie schließlich doch noch in Osaka landet und sogleich in eines der in Japan zahlreich herumstehenden Benimm-Fettnäpfchen tritt. Man wünscht sich, dass die wohlfeilen Gags auf Kosten der komplizierten japanischen Umgangsformen doch endlich ein Ende nähmen und man nicht zum x-ten Male dazu aufgefordert würde, über Tief-tiefer-am-tiefsten-Verbeugungsrituale zu schmunzeln. Es ist nämlich im Grunde überhaupt nicht witzig. Der Wunsch wird in Élise Girards »Madame Sidonie in ­Japan« nicht erhört.

Sidonie Perceval, pausierende Schriftstellerin, ist also in Japan eingetroffen; auf Einladung ihres dortigen Verlegers, der anlässlich der Neuauflage ihres Debütromans eine Lesereise und Interviews organisiert hat. Er wird sie auf allen ihren Wegen begleiten, sagt er und duldet keinen Widerspruch. Zwischen den Sehenswürdigkeiten und offiziellen Terminen sitzen die beiden dann auf dem Rücksitz eines Autos und reden mal mehr und mal weniger, während hinter ihnen eindeutig rückprojizierte Prospekte von Stadt und Land wechseln. Es ist Kirschblütenzeit und ganz Japan berauscht sich an der Schönheit.

Ins Auge sticht, dass die Spezialeffekte, die zum Einsatz kommen, keine Illusion erzeugen wollen, sondern ihre Künstlichkeit geradezu ausstellen. Das gilt für die via Dia-Show zurückgelegten räumlichen Distanzen ebenso wie für den plötzlich erscheinenden Geist von Sidonies verstorbenem Mann Antoine. Der sieht aus, als wäre er aus einem Foto ausgeschnitten und in den Film hi­neingeklebt worden. Er britzelt leicht, wenn Sidonie, nachdem sie den ersten Schrecken überwunden hat, durch ihn hindurchfasst; eigentlich hatte sie ihn umarmen wollen. Aber warum sitzt ihr Mann da überhaupt? Japan sei schließlich das Land der Geister, so die ebenso einhellig gegebene wie allgemein akzeptierte Erklärung, und Antoine führt aus, dass er eigentlich immer da sei, Sidonie ihn nur nicht sähe, gefangen in ihrer Trauer und in ihrem Nichtstun. Denn ebenso wie Sidonie aufgrund eines tragischen Unglücks mit dem Schreiben begonnen hat, hat sie aufgrund eines tragischen Unglücks mit dem Schreiben auch wieder aufgehört. Der Tod ihres Mannes lässt sie nicht los und sie lässt den toten Mann nicht los – und der ist das allmählich leid. Da bietet Japan nicht nur die Gelegenheit, sich bemerkbar zu machen, sondern auch darauf hinzuweisen, dass der melancholische Verleger wegen seiner Melancholie soeben von seiner Frau verlassen wurde.

Und so nehmen die Dinge ihren absehbaren Verlauf. Würde nicht Isabelle Huppert aus Sidonie eine dieser Miniaturen schaffen, die sie so meisterlich beherrscht, eine zierliche Frau mit großem Eigensinn und ungeklärter Sehnsucht, deren Erkundung unbekannten Terrains man gern folgt, würde diese Geisterromanze ebenso glatt an einem vorüberrauschen wie die spektakulär blühenden Kirschbäume im Rückfenster des Autos.

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