Kritik zu Live by Night

© Warner Bros. Pictures

Nach seinem unverhofft geglückten Regiedebüt »Gone Baby Gone« von 2007 adaptiert Ben Affleck erneut einen Roman von Dennis Lehane: »Live by Night« beruht auf dem zweiten Band der Saga um die zerrissene Bostoner Coughlin-Familie

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Zwar trägt ein berühmtes Gesetz seinen Namen, aber man darf Andrew John Volstead getrost einen unbesungenen Helden Amerikas nennen. Der im Oktober 1919 ratifizierte »Volstead Act« läutete die Prohibitionszeit ein und wurde in der Folge von 80 Prozent der erwachsenen Amerikaner mit bewundernswerter Ausdauer gebrochen.

Diese Epoche rabiater Widersprüche war ein Geschenk für die Populärkultur. Das Kino sog mit Beginn der Tonfilmära Honig aus ihr: Ohne die Eingabe des republikanischen Abgeordneten aus Minnesota hätte der Gangsterfilm nicht florieren können. Diese Faszination reicht bis zu den Genrearbeiten des New Hollywood; wobei sich nur Brian de Palmas »The Untouchables« auf die Seite der Strafverfolger schlägt. Wenn sich nun Ben Affleck und Warner Bros. erneut der Epoche zuwenden, beweisen sie zweifaches Traditionsbewusstsein; zumal Dennis Lehanes Romanvorlage ein besonderes Gespür verrät, sich in ihre Sprachmelodie einzufühlen.

Affleck verkörpert den desillusionierten Weltkriegsveteran Joe Coughlin, der fortan ein selbstbestimmtes Leben als Outlaw führen will. Er gerät zwischen die Fronten der irischen und italienischen Mafia. Als bei einem Bankraub mehrere Polizisten getötet werden, retten ihn nur die Winkelzüge seines Vaters, des auf integre Weise korrupten Polizeichefs von Boston (Brendan Gleeson), vor dem Strang. Auch den Verrat seiner Geliebten (Sienna Miller) muss er verkraften. Aber nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe erhält er eine zweite Chance. Im Auftrag der Italiener soll er in Florida die Kontrolle über den Rumschmuggel übernehmen. Er findet eine neue Liebe (Zoë Saldaña) und kann alte Rechnungen begleichen.

Eine neue Facette gewinnt diese rabiate Spielart der US-Folklore allein durch den unverbrauchten Schauplatz, der eine sinnenfrohe, ethnisch heterogene Färbung ins Genre bringt. Robert Richardsons Kamera zelebriert die Schauwerte mit vergeblicher Großspurigkeit: Die flüchtige Montage sabotiert jegliche Beschwörung von Atmosphäre. Afflecks Drehbuch rafft die Romanhandlung nicht, sondern fragmentiert sie. Auch der Off-Kommentar vermag keinen erzählerischen Zusammenhalt zu schaffen. Eine tiefer schürfende Adaption hätte eine Geschichte über Väter und Kinder zum Vorschein gebracht, die einander tragisch abhanden kommen. Joes Konfrontation mit einer Evangelistin (Elle Fanning), die seine Geschäfte stört, hätte eine Zwiesprache zerschellter Lebensentwürfe sein können.

Aber die narzisstische Nachsicht des Regisseurs mit seinem Protagonisten lässt anderen Akteuren wenig Spielraum. Nichts, was Joe zustößt oder er selbst zu verantworten hat, spiegelt sich in Afflecks Gesicht wider. Allein im ersten Absatz des Romans, einem Kabinettstück lakonischer Ökonomie, erahnt man mehr über ihn, als in 128 Filmminuten zu erfahren ist. Joes Moralkodex bleibt eine diffuse Behauptung, die von seinem rücksichtslosen Machtanspruch dementiert wird. Da helfen auch die dankbaren Feindbilder (er legt sich mit dem örtlichen Ku-Klux-Klan an) nichts: Die Verwerfungen des amerikanischen Traums zerrinnen Regisseur und Hauptdarsteller zwischen den Händen.

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