Kritik zu Legend

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Die Kray-Zwillinge gehören zur britischen Folklore. In den Swinging Sixties waren die Gangster so berühmt wie Popstars. Nun hat ein amerikanischer Regisseur ihre Biografie verfilmt

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Jeder Gangster, der auf sich hält, gibt seinen Verbrechen eine eigene Handschrift. Reggie Kray etwa vervollkommnete eine Technik, die er »cigarette punch« nannte: Seinen Widersachern bot er zuerst eine Zigarette an, weil sich beim Rauchen der Kiefer entspannt und so leichter zu brechen ist. Sein Zwillingsbruder Ronnie wiederum hörte gern Reden von Winston Churchill, um sich auf seine großspurigen Auftritte einzustimmen. In ihrer Kindheit hatten sie genug Gangsterfilme gesehen, um zu wissen, welches Mandat sie bei ihrer Berufswahl übernehmen würden: das der Volkshelden. Sie verkörperten es auf je eigene Weise. Ronnie gab den psychopathischen Feudalherren. Aus seiner Loge betrachtete er das mondäne Schauspiel seiner Nachtclubs mit argwöhnischer Genugtuung. Seine Homosexualität lebte er in den 60ern unverhohlen aus und verspottete auch damit die Strafverfolgung. Reggie wählte die jovialere Variante. Er bot den Polizisten, die ihn ostentativ beschatteten, morgens Tee an und ließ sich vergnügt mit den illustren Gästen seiner Clubs ablichten. Er kultivierte das Image des galanten Schürzenjägers und grüßte jeden Nachbarn im Londoner East End beim Vornamen. »Mit einem Polizisten reden sie nicht«, klagt Nipper Read, der Spürhund, der unbeirrt an seinen Fersen klebt, zu Beginn des Films, »aber einem Gangster küssen sie die Hand.«

Dass es in diesem Genre um Stammeszugehörigkeit geht, weiß Regisseur Brian Helgeland seit der Arbeit an den Drehbüchern für »L. A. Confidential« und »Mystic River«. In seinem neuen Film, in dem Tom Hardy die ruchlosen Zwillinge verkörpert, wagt sich der Amerikaner auf das Terrain der britischen Popkultur. Anfangs erschließt er es sich im Stil Martin Scorseses, nimmt die Schauplätze in langen Plansequenzen in Besitz, die seinen Helden emphatisch folgen. Amerikanische Vorbilder sind immerhin auch für die Londoner Unterwelt sinnstiftend, die Helgeland mit einer Galerie prächtig zeitgenössischer Physiognomien besetzt. In die britische Klassengesellschaft dringt sein Blick nur zaghaft ein. Die historische Genauigkeit ist für ihn eine nachrangige Sorge, was bereits der Filmtitel ankündigt und sich vollends im Off-Kommentar manifestiert, in dem sich Reggies zeitweilige Ehefrau Frances (Emily Browning) eingangs zwar als Augenzeugin empfiehlt, sich rasch aber als tragisch unzuverlässige Erzählerin entpuppt. Aus der Spannung zwischen Wirklichkeit und Mythos will Helgeland seinen Film nie ganz erlösen. Seine ruhmsüchtigen Helden können nur in diesem Zwischenreich existieren.

Welchem der beiden Brüder ähnelt der Film mehr? Dem paranoid-schizophrenen Ronnie oder dem rationalen Romantiker Reggie? Helgelands Antwort ist ein Hinterhalt der bösen Symmetrien. Er entlarvt und verklärt seine Helden, die ohneeinander nicht existieren könnten. Die Welt ist eine Auster, die sich so oder so aufbrechen lässt. Und ihr Mittelpunkt liegt immer genau dort, wo die Brüder stehen.

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