Kritik zu Le Week-End
Drehbuchautor Hanif Kureishi und Roger Michell sind ein bewährtes Gespann. Nach »Die Mutter« und »Venus« legen sie nun ihr Meisterwerk vor: die ebenso wehmütige wie sarkastische Autopsie einer Ehe
Aus berufenem Munde hört man oft genug, das Alter sei nichts für Feiglinge. Aber wenn man sieht, wie Meg und Nick ihre Lesebrillen aufsetzen, um die Speisekarte zu lesen, will es wie ein Reich der Behaglichkeit erscheinen. Sie sind ein prächtiges Gespann; die Korrespondenz ihrer Gesten besitzt eine Selbstverständlichkeit, die ihre Gemeinsamkeit besiegelt. Ihre Bildung – sie ist Lehrerin, er Philosophiedozent – steht dafür, dass ihnen der Gesprächsstoff nicht ausgeht. Dem Altern stellen sie sich mit Galgenhumor.
Zugegeben, so alt sind sie (gespielt von Lindsay Duncan und Jim Broadbent) noch nicht. Der Ruhestand liegt aber nicht mehr in weiter Ferne. Ihre Ehe zeigt Schleifspuren der Routine. Auch haben sie sich entfremdet, einander und den Träumen, die sie einst hegten. 30 Jahre nach ihrer ersten unternehmen sie nun eine zweite Hochzeitsreise nach Paris.
Seit Rossellinis Reise in Italien hat es schöne Tradition im Beziehungsfilm, eine Reise zum Kristallisationspunkt einer zerrütteten Ehe werden zu lassen. Im Hochgefühl der neuen Erlebnisse, dem Rausch der Eindrücke bricht sich die Krise endlich Bahn. Aber in der Fremde regt sich auch der Elan, eine neue, auch erotische Reizbarkeit zu entwickeln. Er möchte wieder Zugang zu ihr finden. Sein Begehren ist nicht erloschen, es klafft wie eine offene Wunde. Sie fühlt sich durch dieses Kompliment erpresst. Deshalb fällt ihr nicht die Rolle der Bösen zu, die ihm den törichten Part des abgewiesenen Verehrers zuteilt. Sie ist robuster, angriffslustiger, verkörpert das Prinzip des Ausbruchs, die Sehnsucht nach dem Neuanfang, der vielleicht auch ohne ihn gelingen kann. Die Zerfleischung bleibt wohltemperiert; schließlich sind sie Briten. Großartig führen beide Darsteller vor, wie unaufkündbar diese Komplizenschaft ist; bisweilen finden sie zum Übermut von Teenagern zurück und vervollkommnen sich in der schönen Kunst der Zechprellerei.
Zu einem großen Beziehungsfilm gehört auch der Spiegeleffekt, die Begegnung des Paares mit einem Gegenüber, das ihm eine andere Lebensbilanz vor Augen führt. Diese Rolle fällt Morgan (Jeff Goldblum) zu, einem Studienkollegen von Nick, den sie zufällig treffen. Er ist erfolgreicher, schmückt sich mit einer weit jüngeren Ehefrau. Goldblum hält wunderbar in der Schwebe, ob seine Figur ein intellektueller Schaumschläger oder seine Bewunderung für den alten Freund nicht doch authentisch ist. Er wird zum Agenten der Erneuerung, als Gastgeber läutet er die Katharsis ein, die sich für Meg und Nick nicht in der bitteren Abrechnung mit dem Partner, sondern mit sich selbst erfüllt.
Mit ihrem hellen, fast transparenten Teint könnte man Duncan für eine in berückender Schönheit gereifte Schwester Julie Delpys halten. Aber Le Weekend lässt weniger an Richard Linklaters Before-Trilogie denken, sondern erinnert in seiner eleganten Verbindung von Sarkasmus und Slapstick eher an Zwei auf gleichem Weg mit Audrey Hepburn und Albert Finney. Damit die Gegenwart glücken kann, begeben sich Kureishi und Michell noch auf eine zweite Reise in die Vergangenheit. Am Ende ihres Films steht eine hinreißende Replik auf die Tanzszene aus Godards Die Außenseiterbande.
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