Kritik zu Kleine Tricks
Sommertage auf dem polnischen Land; ein Junge, der am Bahnhof die ankommenden Züge beobachtet und auf die Wiederkehr des Vaters hofft, die er durch »Tricks« herbeiführen will – damit verzaubert Andrzej Jakimowski sein Publikum
Eigentlich hängt der Junge die ganze Zeit nur rum, in diesem trostlosen kleinen polnischen Städtchen. Stefek begleitet seine Schwester bei der Jobsuche, um ihr immer wieder aufs Neue die Daumen zu drücken. Er versucht, die Tauben der Züchter zu trainieren. Er steht seiner Mutter im Weg herum. Vor allem aber sehnt er sich nach seinem Vater. Den hat er nur noch schemenhaft in Erinnerung und alles, was ihm vom Papa geblieben ist, besteht aus einem alten, bis zur Unkenntlichkeit bekritzelten Foto, in das er seine Sehnsüchte hineininterpretiert.
Die große Schwester versucht, ihm diese Träume auszureden; das Leben ist hart genug, da muss man sich nicht noch mit einem Phantom herumschlagen. Aber als Stefek sich eines Tages ganz sicher ist, den Vater am Bahnhof gesehen zu haben, kann die Große es nicht wirklich abstreiten – was macht man mit dem kleinen Bruder, der sich nichts mehr wünscht als eine heile Familie?
Der Bahnhof ist Inbegriff des Abschieds und der Ankunft, Sehnsucht und Glück treffen hier aufeinander. Für den fremden Mann bedeutet der kleine Bahnsteig täglich die Möglichkeit zur kurzen Zigarettenpause; er muss umsteigen, seine Fahrt unterbrechen und kann kurz innehalten. Das ist Stefeks Chance – um mit kleinen Tricks den vermeintlichen Vater auf sich aufmerksam zu machen. Man kann ja mal versuchen, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Der Rhythmus des Films wird bestimmt durch diese Bahnhofsaufenthalte. Immer wieder folgen wir dem Jungen, wie er versucht, sich die Zeit zu vertreiben in der Tristesse der Bergwerksregion. Stets allein, ohne gleichaltrige Freunde, beobachtet Stefek seine Umgebung sehr genau und versucht, sich einen Reim auf die Welt der Erwachsenen zu machen. Die besteht vorwiegend aus Arbeitern, die ihrem Beruf nachgehen, oder alten Männern, plaudernd auf der Bank. Es ist eine in sich ruhende Dorfgemeinschaft mit kleinen Geschäften, in der die Zeit stehengeblieben scheint. Es gibt kaum Autoverkehr. So kann sich der sechsjährige Stefek allein von Ort zu Ort bewegen, keiner macht sich darüber Gedanken. Die Aufnahmen muten dokumentarisch an, grobkörnig mit milden Farben fangen sie die Melancholie der kleinen Glücksmomente ein. Die Verwendung von Originalgeräuschen unterstützt noch die authentische Atmosphäre. Die Fahrten auf dem Moped mit Schwester und deren Freund bringen die kleine Dreiergruppe in die große Stadt oder an den See, zum Picknick. Die nahe Stadt lässt erahnen, was auch diesem Städtchen bald widerfahren wird – Hektik, Lärm und Armut – aber bis jetzt ist dieser Mikrokosmos Dorf noch intakt.
Polen schickte »Kleine Tricks« ins Rennen um den Auslandsoscar, den er zwar nicht gewinnen konnte, dafür aber unzählige andere Preise. Der Film zählt zu den sehr authentisch anmutenden Filmen, die von ihrem Land erzählen, das der Regisseur innig zu lieben scheint. Dieses Heimatgefühl in positivem Sinne vermittelt der Film, und deshalb ist er ganz wunderbar gelungen.
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