Kritik zu Kleine Helden
Mit dem französischen Filmpreis César als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet: Die gelernte Journalistin Anne-Dauphine Julliand beobachtet in ihrem Debüt fünf todkranke Kinder, die ihr Leben mit Mut und Freude angehen
Eine Tafel hängt im Krankenzimmer des kleinen Jungen. Darauf steht, in Französisch: »Ich habe Epidermolysis bullosa. Ich mag Hitze nicht. Nicht unter den Armen heben!« Es ist die Schmetterlingskrankheit, belehrt uns der Junge, denn die Haut ist sehr dünn und empfindlich wie die Flügel eines Schmetterlings.
Die Regisseurin Anne-Dauphine Julliand, von Beruf eigentlich eine Journalistin, stellt in ihrem Dokumentarfilm fünf Kinder vor, die alle an einer Krankheit leiden, die in nächster Zeit zum Tode führen kann: das Mädchen Ambre und die Jungs Camille, Charles, Imad und Tugdual, zwischen fünf und neun Jahren alt. Sie sind alle damit aufgewachsen, dass sie länger in der Schule fehlen, dass sie Schmerzen haben, dass sie Medikamente bis hin zum Morphium nehmen müssen, dass ihnen längere Krankenhausaufenthalte drohen.
Aber dem Film geht es nicht darum, exotische Krankheiten vorzustellen (auf medizinische Statements und Erklärungen wird kein Wert gelegt) oder irgendwie Mitleid zu erzeugen. Ganz im Gegenteil: er zeigt die Lebensfreude der Kinder, wie sie über die Krankenhausgänge rennen, eine Feuerwehrwache besuchen oder eine Werft. Sie leben nicht im Krankenhaus, sondern bei ihren Eltern, unternehmen Ausflüge mit ihnen. Ambre, die immer einen Rucksack mit einem Blutdruckmessgerät auf dem Rücken trägt, spielt Theater an ihrer Schule. Ihre Freundin sagt über sie, dass sie es nicht verstanden hat, dass sie krank ist.
Und diese Haltung macht sich auch »Kleine Helden« zu eigen: Obwohl die Kinder sehr klug, mitunter altklug, über ihre Krankheiten sprechen können, geht von ihnen doch eine lebensbejahende Sorglosigkeit aus, es gibt für sie auch ein Leben jenseits ihres Leids. Und wenn die Kamera ihnen folgt und sie einfängt, bleibt sie immer auf Augenhöhe mit ihnen, filmt sie nicht von oben herab. Auch darin spiegelt sich wohltuend – obwohl der Film von fünf Kameraleuten aufgenommen wurde – eine Haltung, die die Kinder ernst und für voll nimmt. Mit den Eltern etwa wird nie über die Krankheit ihrer Kinder gesprochen, auch nicht mit den Ärzten und dem Pflegepersonal.
Das soll aber nicht heißen, dass »Kleine Helden« die Schmerzen und die Verzweiflung seiner Protagonisten ausblendet. In einem sehr intimen Moment fällt Imad seiner Mutter in die Arme, weil er Angst hat vor der anstehenden Dialyse. Er steht kurz vor einer Nierentransplantation. Und wir sehen, wie Charles, der Junge mit der Hautkrankheit, gebadet und am ganzen Körper wieder verbunden wird. Nur kurz sind seine Ekzeme sichtbar, aber wenn er sich schüttelt vor Jucken oder Schmerzen, überträgt sich das auch auf den Zuschauer.
Aber »Kleine Helden« feiert vor allem den Mut und auch den Humor seiner todkranken Figuren. »Wenn ich tot bin, werde ich auch nicht länger krank sein«, sagt Camille, der trotz seines Tumors leidenschaftlich gern Fußball spielt. Und er ist es auch, der quasi das Motto heraufbeschwört, unter dem dieser Film steht: »Wer krank ist, hört nicht auf, glücklich zu sein.«
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