Kritik zu Juliet, Naked

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Eine kleine Komödie über große Fans: Ethan Hawke, Rose Byrne und Chris O'Dowd spielen in Jesse Peretz' Verfilmung von Nick Hornbys gleichnamigem ­Roman, der das Musikfantum ernst nimmt, während er es gleichzeitig sanft verspottet

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Im November 2003, als sechstes Album der Reihe aus Veröffentlichungen von Beatles-Platten aus dem Nachlass, erschien »Let it be... Naked«. Es war der Versuch, das von Phil Spector mit Orchester- und Choraufnahmen durchproduzierte letzte Album der Beatles zu seinen Ursprüngen zurückzuführen. Schon die Aufnahmen des Originalalbums waren in der Band selbst umstritten. Während Paul McCartney aufseiten der kargen Arrangements stand und meinte, die Spector-Version klänge »schauderhaft«, verteidigte John Lennon Spectors Arbeit. Nick Hornby ist ein großer Musik-Kenner, ganz besonders was die Beatles anbetrifft. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er nicht an diese Auseinandersetzung gedacht hat, als er »Juliet, Naked« schrieb. Neben der feinfühligen Liebesgeschichte, die der Roman erzählt, geht es erneut um Musikrezeption. Um manische Fans und deren Auslegung der möglichen Absichten eines Künstlers und um die so erzeugte, oft unüberwindbare Diskrepanz.

Im Roman ist der fiktive Singer-Song­writer Tucker Crowe, ähnlich wie Sugerman Rodriguez, ein Mysterium. Irgendwann einfach verschwunden, hinterlässt er kaum mehr als ein paar Handvoll Fans, die versuchen, das Geheimnis zu lösen. Die Erkenntnis, dass es überhaupt kein Geheimnis gibt, wäre der Wärmetod all dieser Fanbewegungen. Insofern ist Duncan (Chris O'Dowd) als Chef eines Onlineforums zu Tucker Crowe (Ethan Hawke) und dessen größter Fan und Kenner das Zentrum der Handlung. Eines Tages flattert ihm eine CD mit den unbearbeiteten Uraufnahmen des letzten Tucker-Crowe-Albums »Juliet« ins Haus. Seine Freundin Annie (Rose Byrne) nimmt sie entgegen und kann sich nicht zurückhalten. Sie hört sich die Aufnahmen an und findet das Ergebnis – fade. Natürlich, denn wie könnten diese kargen Lieder besser sein als die fertigen, noch einmal überarbeiteten hochproduzierten Songs. Duncan hingegen ist beglückt. Das ist die Essenz, das reine Tucker-Crowe-Gefühl. Nur dass Annie ihre Meinung schon auf die Forumsseite gepostet hat. Was nun folgt, ist aber keine simple Liebesgeschichte, sondern eine witzige Be­gegnung von Fan und Künstler, zwischen denen bezeichnenderweise eine Frau als lebendes Bild der Erotik steht.

Der Amerikaner Jesse Peretz, der schon Ian McEwans »First Love, Last Rites« verfilmte, hat den Stoff in seiner Gewichtung etwas verschoben. Die Auseinandersetzungen über den Mythos Popmusik und deren Rezeption rücken etwas an den Rand, das Zentrum bildet nun die Beziehung zwischen Annie und Tucker, die sich nach einem ausgiebigen Mailwechsel auch persönlich kennenlernen. Er selbst hält seinen Kram für Müll und spielt, bei der Eröffnung einer Ausstellung zum Jahr 1964, lieber »Waterloo Sunset« von den Kinks. In dieser Szene aber wird deutlich, was passiert, wenn man Musik einsetzt. Zu Beginn des Stückes sieht man – authentisch – Tucker am E-Piano sitzen. Der Klang ist dünn, sehr individuell. Dann verändert sich die Szene, und die Musik wird voluminöser, man hört Gitarren, Schlagzeug etc., also einen Sound, der nicht mehr durch die Szene motiviert ist. Die Musik beginnt eine eigene Botschaft zu transportieren. Und der Streit um reine, klare oder überarbeitete, produzierte Songs löst sich auf. Danach geht es dann nur noch darum, ob Annie und Tucker ein Paar werden können oder nicht.

Die schlichte Erzählweise, die Peretz einer großen Inszenierung vorzieht, trägt dem Rechnung. Er kann sich auf den Wortwitz verlassen, den Nick Hornby vorgibt und der im Film wunderbar weiterentwickelt wird. Kein Satz, der einfach nur das sagt, was er ausdrücken will, immer gibt es eine witzige, schräge Formulierung, Anspielung oder komische Wendung. In der subtilen Art, wie Hornby seine Komödien gestaltet, so dass auch das Tragische in ihnen Platz hat, verfährt auch der Film. Und den Soundtrack möchte man ohnehin gleich mit nach Hause nehmen.

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