Kritik zu Joschka und Herr Fischer
Ein Leben als langer ruhiger Fluß von Statements: Pepe Danquart hat eine Dokumentation über und mit Joschka Fischer gedreht
Joschka Fischer ist es wie keinem Zweiten gelungen, sich als Repräsentant einer Generation zu inszenieren. Er, das Flüchtlingskind, war der rebellische Schulabbrecher, der 68er und Frankfurter Militante, der angesichts der RAF der Gewalt abschwor. Dann der Politiker, der die Grünen domestizierte, Außenminister wurde, den Kriegseinsatz im Kosovo vertrat, im Bürgertum populär wurde und heute seine Politkarriere als Berater von Konzernen vergoldet. Von außen ins Zentrum der Macht, vom sozialen Rand nach ganz oben – das ist die Erzählung Joschka Fischer.
Über ihn, den schillernden Machtpolitiker mit dem großen Ego, sind ein paar Biografien geschrieben worden. Kluge Köpfe haben versucht, sein Geheimnis zu ergründen. Braucht man da noch ein Biopic? Jedenfalls nicht dieses. Pepe Danquart platziert Fischer, grauhaarig und mit schickem Anzug, in einen geräumigen Kellerraum mit einem Dutzend Glasbildwänden, die Stationen seines Heldenlebens zeigen, vom Straßenkampf bis zur Papstaudienz. Fischer kommentiert und schlendert, zweieinviertel Stunden lang, zwischen den Bildloops hin und her.
Möglicherweise sollen diese Bilderschleifen eine Art Konfrontation des Helden mit seiner Vergangenheit suggerieren. Doch Konfrontation ist genau das, was in diesem Film tunlichst vermieden wird. Man erfährt von Fischer kaum Persönliches, dafür viel politisch Gestanztes. »In der Suezkrise«, sagt Fischer einmal, »waren die USA ja noch die Guten.« Die Suezkrise war 1956, da war Klein-Joschka acht Jahre alt. In diesem Raum wird keine brachliegende Erinnerung geweckt, hier werden Statements abgerufen.
Unterbrochen wird dieser Strom von Statements von Zeitgenossen, deren Auswahl mit beliebig freundlich umschrieben ist. Hans Koschnick und Katharina Thalbach, die Band Fehlfarben und der Journalist Roger de Weck kommen zu Wort — warum diese und niemand anders? Für etwas vitale Erinnerung sorgt, wie immer, nur Daniel Cohn Bendit, der berichtet, wie verkniffen der SDS reagierte, weil er, der Franzose, auch als Sponti Austern essen wollte.
Fischer hat den Film übrigens abgenommen und sogar einen Satz hinzugefügt, der seine Skepsis gegenüber der deutschen Vereinigung 1989 in ein freundlicheres Licht setzt. Danquart hat Medienprofi Fischer nicht nur die Bühne überlassen, sondern auch den Final Cut – offenbar weniger aus Naivität denn aus Kumpanei (Altspontis unter sich).
Nervtötend ist in »Joschka und Herr Fischer« zudem das Arrangement von Bildern und Tönen. Der Soundtrack lässt kein Klischee aus (Jimi Hendrix' »Star Spangled Banner« zu Vietnam-Aufnahmen). Wenn Fischer über seine Zeit als Taxifahrer in Frankfurt redet, wo er der Legende nach das wahre Leben kennenlernte, sehen wir prompt eine grandiose Luftnahme von Frankfurt bei Nacht und danach ein paar Minuten Taxifahrten.
»Joschka und Herr Fischer« ist als Film nicht gescheitert. Scheitern setzt ein sinnvolles Ziel voraus, das verfehlt wird, etwa die Bruchlinien einer Figur sichtbar zu machen. Darum geht es hier nicht. »Joschka und Herr Fischer« ist Reklame.
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