Kritik zu James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag

© 20th Century Fox

Mit Leidensmiene: Der Jubiläums-Bond

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Seit 40 Jahren bewahrt er uns nun schon vor dem Schlimmsten. 20 Mal hat James Bond im Dienste Ihrer Majestät die Welt mittlerweile gerettet. So oft, dass es ihr eigentlich etwas besser gehen müsste. Jetzt scheint 007 – das soll in den Vierzigern ja vorkommen –, in einer beruflichen Midlifecrisis zu stecken. Und manchmal sieht das Geschöpf des Kalten Krieges aus, als sei es mit guten wie bösen Kollegen und Kolleginnen zum kommunistischen Resteessen verabredet.

Ein Bond-üblicher Schneehimmel über Kreml und pelzbemützten KGBlern ließ sich diesmal einfach nicht einbauen. Nordkorea muss jetzt als verschwörerische, aber ziemlich einsame Gegenwelt reichen. Eine Zwischenlandung in Kuba beschwört noch einmal die alten Tage internationaler Revolutionsbemühungen. Den Showdown verlegt man lieber ins neutrale Island. Doch weil die Zeiten der Systemkriege auch in Bond-Filmen vorbei sind, wird das Böse diesmal weniger durch einen wertekonservativen nordkoreanischen General verkörpert als durch dessen Sohn mit dem klangvollen Namen Gustav Graves (Toby Stephens). Ein Paradegroßkotz, der sich nach einer DNA-Kur zum Großkapitalisten mit kaukasischem Aussehen mausert und nichts weniger im Sinn hat als mit einer eigenen, selbstgemachten Sonne die Erde neu aufzuteilen und den althergebrachten Krieg der Ideologien mit neuem materialistischem Unmaß zu versauen.

Bonds Sinnkrise beginnt bezeichnenderweise mit einem Glockenschlag. Auf der Flucht wird er in den Turm eines buddhistischen Klosters geschleudert und rettet sich auf das Seil, mit dem die Mönche zum Gebet läuten. Er gerät in Gefangenschaft, wird misshandelt, unter Wahrheitsdrogen gesetzt und sieht dabei ziemlich erbärmlich aus. Geduzt, ungeduscht und mit einer eindrucksvollen Catweazle-Frisur wird er 14 Monate später – für einen Bondfilm ein schon biblisches Zeitmaß – bei einem Agentenaustausch in die Freiheit entlassen. So zerrupft und unvorteilhaft wie Pierce Brosnan kam wohl kaum ein 007-Darsteller vor ihm aus der Maske. Und wenn er mit geröteten Augen und umnachtetem Verstand an den Mauern seines Kerkers lehnt, nimmt seine Leidensmiene schon gespenstische Züge an. Das alles in einer Zeitspanne, in der seine Vorgänger längst vier Kostümwechsel und den ersten Cocktail mit einer Bikiniträgerin hinter sich hätten. Kein Zweifel, dieser Bond hat ein Problem mit dem Timing, und nähme das 20. Sequel unter der Regie von Lee Tamahori (»Die letzte Kriegerin«, »Im Netz der Spinne«) nicht später noch einmal Anlauf, um in der Verspieltheit und der Kurzatmigkeit des sich selbstgenügenden Actionkinos aufzugehen, könnte man meinen, »Stirb an einem anderen Tag« sei der Titel eines Burn-out-Seminars.

Zurück in der Zivilisation scheint niemand ihren Retter mehr zu brauchen. Der britische Geheimdienst setzt Bond ab, weil er in der Gefangenschaft Namen preisgegeben haben soll. Zum ersten Mal sieht es so aus, als habe sich die Welt schneller gedreht als Bond sein Magazin leer ballern kann. Nicht zufällig hält sich der in Ungnade gefallene 007 im Gefecht einmal an der Bronzebüste eines kommunistischen Diktators fest. Als M (Judi Dench) ihrem Agenten erklärt, dass geheimdienstliche Verpflichtungen sich geändert haben und die Weltenlage nicht länger aus »Schwarz und Weiß« bestehe, entgegnet er durchaus patzig: »Nicht für mich.« Und wenn ein Hotelangestellter ihn nach seinen momentanen Aktivitäten befragt, lässt Bond es mit einem »Ich überlebe« bewenden. Dieser Mann mit der nun wieder frischen Fönfrisur kämpft nicht nur für überschaubare Fronten, sondern um das Biotop seiner Heldenexistenz.

Ein Konflikt, den Pierce Brosnan nicht ohne einen Hang zur Verbissenheit durchleidet. Und so müffelt durch die bewährte Bond-Mischung aus Eleganz, Unverschämtheit und Charme der strenge Geruch des Strebertums stets durch. Da mag Brosnan auch mit der Beherrschung neuester Sportarten wie dem Kiting (Surfbrett plus Fallschirm) aufwarten oder mit einem militärisch schwer aufgerüsteten und praktischerweise unsichtbaren britischen Automobil vorfahren.

Wenigstens ein Hauch von Coolness kommt erst mit Halle Berry hinzu. Im orangenen Bikini mit einem weißen Messergürtel auf den Hüften taucht sie am Strand von Havanna auf. Das ist mehr als nur ein Knicks vor Ursula Andress' damals sensationellem Bikini-Debüt in »Dr. No«. Denn von jetzt an, so scheint es, hört der Film auf, sich zur ungelenken Sinnparabel zu verkrampfen und besinnt sich auf seine Tradition, auf seinen altertümlichen Machismo, seinen infantil enthemmten Aktionismus und eine Ironie, die für britische Verhältnisse immer schon etwas Brachiales hatte. Da zögert Bondgirl Jinx nicht, gleich die ganze Schurkenhand abzutrennen, wenn sie nur einen Fingerabdruck braucht. Und der Doppelagentin und Schlampe Mrs. Frost bricht sie zur Not einfach das Herz. Mit Jinx und Mr. Q (diesmal mit manischer Schusseligkeit gespielt von John Cleese) kommt die alte Bond-Maschine wieder etwas in Gang. Samt der fantastischen toys for boys aus dem Hause Q, denen trotz High-Tech-Fortschritten inzwischen das Rührende eines Anti-Hai-Sprays anhaftet, wie wir es aus dem Toilettenbeutel des Ur-Batman kennen.

Anders als Madonna, die in einem Cameo-Auftritt als gestrenge Fechtlehrerin moniert: »Ich hasse Hahnenkämpfe«, freut man sich, wenn's dann endlich knallt und lärmt – und wird dennoch das Gefühl nicht los, nicht einen klassisch hybriden Bond, sondern nur sein depressives Alter Ego gesehen zu haben.

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