Kritik zu Jaffa – The Orange's Clockwork
Der Fotograf und Regisseur Eyal Sivan eröffnet am Beispiel der Orangen von Jaffa einen vielschichtigen Diskurs über die Geschichte Israels und Palästinas
»Was machen wir hier – Filmegucken?«, fragt zu Beginn einer der Gesprächspartner lapidar. Eyal Sivan nämlich legt seinen Protagonisten Archivmaterial über die Kultivierung der Jaffa-Orangen vor – und schält im Dialog das suggestive Potenzial dieser Filme, Fotos, und Werbebroschüren heraus. Vom frühen 19. Jahrhundert an war die Hafenmetropole Jaffa, die heute ein Stadtteil Tel Avivs ist, ein wichtiges Kultur- und Handelszentrum im Nahen Osten. Eingebettet in Orangenhainen lag sie direkt am Meer. Im Hafen wurden die Früchte einzeln in Seidenpapier eingeschlagen und in Holzkisten verpackt. Fünf Millionen seien davon jährlich verschifft worden, berichtet ein palästinensischer Historiker.
Die Aufnahmen arabischer Fotografen, die ab 1890 entstanden, dokumentieren die Arbeit der Farmer auf den Plantangen, das Verpacken der Ware im Hafen und den Alltag in der Stadt. Diese historischen Schnappschüsse konterkarieren den Mythos, Palästina wäre vor der Staatsgründung Israels 1948 ein rückständiges Land gewesen, das erst durch die zionistische Siedlerbewegung erschlossen und kultiviert worden sei. Bis in die späten 1920er-Jahre pflückten Araber und Juden in Jaffa gemeinsam Orangen und profitierten vom Handel. »Man machte keinen Unterschied zwischen Juden, Muslimen und Christen«, sagt ein palästinensischer Plantagenarbeiter. Mit der Gründung des Staates Israels und der Vertreibung der Palästinenser endete diese Epoche; analog dazu verschwindet eine Hälfte der Akteure aus den Aufnahmen.
Wie reibungslos das in der Bildsprache vonstattenging, zeigen Schwarz-Weißfotos im Splitscreen, die identische Szenerien mit unterschiedlichem Personal variieren. Die Jaffa-Orange wurde in Israel zum Schlüsselsymbol nationalstaatlicher Identitätsbildung – und auf Seiten der Palästinenser steht sie bis heute für Zerstörung und Verlust von Heimat. Aber Sivans Dokumentation verharrt weder in Nostalgie noch in Schuldzuweisungen; das letzte Wort hat ein israelischer Dichter, der diesen gemeinsamen historischen Diskurs als »einen Erinnerungsfahrschein in die Zukunft« gelöst sehen will.
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