Kritik zu The Interview
Nun doch ganz regulär im Kino: Seth Rogens und Evan Goldbergs grobe Mediensatire erweist sich als ausgewachsener Jungenstreich, der Mühe hat, den Erwartungen gerecht zu werden, die durch den im Vorfeld ausgelösten politischen Trubel entstanden sind
Aaron Rapaport (Seth Rogen) ist erfolgreicher Produzent der Boulevard-TV-Show »Skylark Tonight«. Regelmäßig werden hier von Showmaster Dave Skylark (James Franco) die Geheimnisse und Verfehlungen der Stars ausgeplaudert und breitgetreten. Als der weiße Rapper Eminem live in der Show verkündet, er sei schwul, schießen die Einschaltquoten in den Himmel. Ja sogar der nordkoreanische Führer Kim Jong-un (Randall Park) outet sich als Fan der Show. Da die beiden dummdreisten Kindsköpfe Rapaport und Skylark endlich als seriöse Journalisten wahrgenommen werden wollen, laden sie in ihrer naiven Überheblichkeit den Diktator zum Interview in ihre Show. Der fühlt sich tatsächlich gebauchpinselt und sagt zu. Allerdings nur, wenn das Interview in Pjöngjang stattfindet und alle Fragen von Kim vorgegeben werden. Eine Kröte, die Skylark und Rapaport bereit sind zu schlucken für die Aufmerksamkeit und Anerkennung im seriösen Journalistenolymp, die das politisch brisante Interview »im gefährlichsten Land der Welt« verspricht. Doch nun insistiert die CIA, die beiden Fernsehfuzzis sollten bei der Gelegenheit doch gleich ein Attentat auf Kim Jong-un verüben. Beim Händeschütteln soll er mit einem präparierten Pflaster in der Handfläche von Rapoport vergiftet werden.
Seth Rogen und sein Koregisseur Evan Goldberg gehen in ihrer Inszenierung ähnlich unsensibel vor wie die beiden kindlichen Journalisten im Film. In einem sowjetischen Panzer, einem Geschenk von Stalin (Skylark: »In my country it’s pronouncedd Stallone«), kommen sich der Moderator und der Diktator in ihrer Einfältigkeit näher. Sie hören amerikanische Pophits (»Firework« von Katy Perry: »Do you ever feel like a plastic bag? Drifting through the wind, wanting to start again«) und feuern ausgelassen Salven in den Wald (»’Cause baby you’re a firework«). Nach einem ausgelassenen Saufgelage mit Kims Harem hat Skylark jedoch Skrupel, seinen neuen Freund zu töten.
Achtung Spolier! [Im Finale, nachdem die beiden Journalisten als Attentäter enttarnt sind und als Vergeltung nordkoreanische Atomraketen auf Amerika abgefeuert werden sollen, schießen die beiden Dumpfbacken (gewissermaßen »in Notwehr«) den Hubschrauber des flüchtenden Diktators mit dessen Lieblingspanzer ab. Kim Jong-un verglüht in der Feuersbrunst. »He must die! That’s the American way«, hat Rapaport schon zu Beginn des Films die waghalsige Mission gerechtfertigt.]
The Interview ist eine hochmütige, respektlose Verunglimpfung des Diktators Kim Jong-un. Eine derbe Komödie, deren politische Relevanz und Originalität unter dem spätpubertären Fäkalhumor von Rogen und Franco leidet. Nachdem die nordkoreanische Regierung den Film in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon als »unverhohlene Förderung des Terrorismus sowie eine Kriegshandlung« gebrandmarkt hat und ein bedrohlicher Hackerangriff auf die Produktionsfirma Sony den gesamten Konzern erschütterte, wurde der US-Filmstart zunächst abgesagt. Als Präsident Barack Obama kritisierte: »Wir können nicht in einer Gesellschaft leben, in der irgendein Diktator irgendwo anfängt, in den USA Zensur auszuüben«, wurde der Film dann doch am ersten Weihnachtstag in 300 unabhängigen US-Programmkinos gezeigt. Außerdem war er zeitgleich auf diversen Onlinekanälen verfügbar und hat Sony den besten Onlinefilmstart in seiner Geschichte beschert. Der nordkoreanische UN-Diplomat Kim Song verurteilte den Film erneut als eine »unverzeihliche Verhöhnung unserer Staatshoheit und der Würde unseres obersten Führers«. Durch den politischen Trubel, den dieser ausgewachsene Jungenstreich im Vorfeld ausgelöst hat, ist beim Publikum eine Erwartungshaltung entstanden, der The Interview nun unmöglich gerecht werden kann.
Über Team America (2004), den subversiven Marionettenfilm der South Park-Macher Matt Stone und Trey Parker, in dem Kim Jong-il als singender Superbösewicht die Schauspielelite Hollywoods massakriert, hat sich Nordkorea übrigens seinerzeit nicht ereifert. Kim Jong-uns Vater war ein fanatischer Liebhaber internationaler Filmkunst, der die zur Chefsache erklärte Propagandafilmproduktion seines Landes erfolgreich belebte, indem er 1978 seinen südkoreanischen Lieblingsregisseur Shin Sang-ok und dessen Exehefrau, die beliebte Schauspielerin Choi Eun-hee, entführen und Filme in Nordkorea drehen ließ. War es Kim Jong-il als bekennendem James-Bond-Fan womöglich eine Ehre, in Team America als diabolischer Filmbösewicht dargestellt zu werden?
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