Kritik zu Before I Wake

© Capelight Pictures

Mike Flanagan legt seinen neuen Film zwischen Psychothriller und Horror an: Ein junges Ehepaar adoptiert einen traumatisierten Jungen, dessen Ängste sich bald im Suburbia-Eigenheim der neuen Eltern manifestieren

Bewertung: 2
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die Warnung der Sozialarbeiterin klingt harmlos. Der achtjährige Cody (Jacob Tremblay, bekannt aus dem Entführungsdrama »Raum«, in seiner zweiten großen Rolle) leide unter Schlafstörungen, erklärt sie den Adoptiveltern. Jessie und Mark sind sofort wie verzaubert von den dunklen, melancholischen Augen des Jungen. Das Suburbia-Ehepaar hat den tragischen Tod des eigenen Sohns Sean, der beim Spielen in der Badewanne ertrank, noch nicht überwunden. Jessie (Kate Bosworth) besucht eine Selbsthilfegruppe, während sich Mark (Thomas Jane) im Haushalt als Heimwerker betätigt, um den Verlust des Kindes zu vergessen. Was Cody schlaflose Nächte bereitet, ist zunächst nicht klar. Er erzählt seinen neuen Eltern von einem »Canker Man«, der ihn in seinen Träumen heimsuche. Der kurze Prolog, in dem sich ein Mann mit einer Waffe im Kinderzimmer des Jungen verbarrikadiert, lässt bereits erahnen, dass Cody mit seinen eigenen Traumata zu kämpfen hat. Jessie und Mark tun alles, um dem Jungen sein neues Heim so angenehm wie möglich zu gestalten (natürlich mit Xbox). Doch schon in den ersten Nächten ereignen sich seltsame Dinge: Schmetterlinge und Mottenschwärme tauchen wie aus dem Nichts auf und verschwinden wieder. Und eines Abends steht plötzlich Sean im Wohnzimmer seiner fassungslosen Eltern.

Unter Genrefans gilt Mike Flanagan schon länger als verlässlicher Regisseur, der sich auf psychologischen Horror mit gut platzierten Schockeffekten versteht. »­Before I Wake«, seine erste große Produktion mit namhaften Darstellern, kann allerdings in beiderlei Hinsicht nicht überzeugen. Besonders die Psychologie des Films ist unterentwickelt, die Konflikte der Eltern bleiben nur angedeutet. Jessie beginnt eine Obsession für die nächtlichen Erscheinungen ihres verstorbenen Sohnes zu entwickeln. Sie projiziert ihre Trauer über den Verlust Seans auf Cody, vernachlässigt darüber aber die Bedürfnisse und Ängste ihres Adoptivsohns. Doch die Ambivalenz der Eltern, die Codys übersinnliche Fähigkeiten für ihren eigenen Heilungsprozess missbrauchen, ist psychologisch nur so lange interessant, wie der Horror sich nicht in konkreten Figuren manifestiert. Denn eines Nachts bekommen auch Jessie und Mark Besuch vom »Canker Man«.

Die krude Psychologie wäre noch zu verschmerzen, aber die plumpen CGI-Effekte und das wirklich alberne Halloween-Monster, das aus Codys Träumen schließlich in die Suburbia-Wirklichkeit eindringt und seine Opfer regelrecht absorbiert, erinnern eher an schlechte Fantasy als an einen Horrorfilm mit psychologischem Tiefgang. Umso erstaunlicher, da Flanagan und sein Drehbuchautor Jeff Howard eigentlich ein eingespieltes Team sind. Davon ist in »Before I Wake« stilistisch und atmosphärisch wenig zu spüren. Im letzten Drittel gleitet die Geschichte vollends in Mystery-Kitsch ab, wie ihn selbst M. Night Shyamalan seinen Fans heute nicht mehr anbieten würde. Ein paar gute »jump scares« allein machen noch keinen guten Horrorfilm.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt