Kritik zu How I Ended This Summer
Zwei Männer auf einer Wetterstation jenseits des Polarkreises: Der russische Regisseur Alexei Popogrebsky (Koktebel) macht daraus ein zwischen Komödie und Drama changierendes Spiel vor großartiger Kulisse
Wer freiwillig einen Job am Nordpolarkreis annimmt, kann entweder nicht ganz dicht sein oder muss etwas auf dem Kerbholz haben. Für den wortkargen Sergei gilt zweifellos Ersteres. Er arbeitet seit Jahren auf einer entlegenen Wetterstation im arktischen Meer; seine Routinen bestehen darin, die Radioaktivität an diesem unwirtlichen Flecken Erde zu kontrollieren und hin und wieder eine SMS an seine Frau zu übermitteln. Der junge Pavel sitzt die meiste Zeit in der Gegend herum, hört Musik oder spielt einen Ego-Shooter. Mit Sergei zu reden, ist kein Vergnügen. Meist hagelt es Hiebe und blöde Sprüche. Schlimmstenfalls muss er, der Praktikant, wie Sergei ihn nennt, selbst raus, um die Werte an den Messgeräten abzulesen. Zum Glück ist das Ende des Sommers, in dem in diesen Breitengeraden die Sonne nie untergeht, absehbar. Pavel hatte sich seine dreimonatige Forschungsreise etwas abenteuerlicher vorgestellt. Stattdessen muss er hinter dem Funkgerät sitzen, während Sergei entgegen den Vorschriften zum Fischen rausfährt.
Alexei Popogrebskys dritter Spielfilm How I Ended This Summer ist eine lakonische Studie über Einsamkeit. Drei Monate verbrachten er und sein Drehteam auf einer verlassenen Wetterstation im tiefsten Eis. Die Bilder sehen spektakulär aus: ewiges Eis, ein endloser Horizont, atemberaubende Gletscher. Dass die beiden Protagonisten in dieser Kulisse nicht verschwinden, verdankt der Film seiner verqueren Psychologie und einem Hang zu subtiler Komik am Rande des Lagerkollers. How I Ended This Summer ist zwar keine Komödie, aber die menschlichen Verhaltensweisen an einem Außenposten der Zivilisation, noch dazu bei zwei so gegensätzlichen Männern wie Sergei und Pavel, bringen immer wieder komische Momente hervor. So könnte Popogrebskys Film leicht in kleinteiligen Arbeitsroutinen und dem meditativen Fluss der Tagesabläufe erstarren. Bis Pavel über Funk eine Nachricht von Sergeis Familie erhält, die er ihm aus Feigheit verschweigt. Zunächst ist er damit beschäftigt, seinen Kollegen vom Funksprechgerät fernzuhalten. Als er ihm die Nachricht schließlich doch übermittelt, dreht Sergei durch; ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten lassen die angespannte Situation eskalieren. Aus den Arbeitskollegen werden plötzlich Jäger im ewigen Eis.
Popogrebsky treibt seine Geschichte mit stoischer Gelassenheit auf die Spitze. Dabei schlägt How I Ended This Summer nie ins Thrillerhafte oder Dramatische um. Der Film behält seinen lakonischen Ton bei und lässt sich auch von der erhöhten Herzfrequenz seiner Figuren nicht beeindrucken. Den gleichmäßigen Rhythmus zieht er konsequent durch, die Einstellungen bleiben ruhig und dokumentarisch. Nur einmal, als Pavel vor einem Eisbären fliehen muss, wird der Schnitt etwas hektischer. Wie Popogrebsky diese ungeschickte Flucht inszeniert, lässt an Aki Kaurismäki denken, bei dem Drama und Komödie ähnlich dicht beieinander liegen. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Sergei und Pavel nimmt fast sportive Züge an, als würden sich die Männer nur ihre Zeit vertreiben. Eisbären können das natürlich unmöglich verstehen.
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