Kritik zu Goodbye Julia

englisch © BFI

2023
Original-Titel: 
Wadaean Julia
Filmstart in Deutschland: 
15.08.2024
V: 
L: 
120 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Mohamed Kordofani erzählt vom Sudan in Form einer sozialrealistischen Parabel, in der sich Politik und Kultur des kulturell und religiös gespaltenen nordostafkrikanischen Landes spiegeln

Bewertung: 3
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In der sudanesischen Hauptstadt Khartum steht die Welt kopf. Eine Meute wütet auf den Straßen, zündet Autos an, während das Fernsehen vom Tod des Vizepräsidenten John Garang infolge eines Hubschrauberabsturzes berichtet. Dass die Welle der Demonstrationen zu Beginn von »Goodbye Julia« an das Haus der Muslimin Mona (Eiman Yousif) und ihres strenggläubigen Mannes Akram (Nazar Goma) brandet, deutet an, was Regisseur Mohamed Kordofani im Sinn hat: Er erzählt eine Parabel, in der sich das Politische und das Private durchdringen. 

Der Film spielt in der Zeit kurz vor der Unabhängigkeit des Südsudans im Jahr 2011. Das Land ist geografisch und kulturell gespalten: in Nord und Süd, in wohlhabend und arm und in eine muslimische Mehrheit und eine christliche Minderheit. Kordofani zeigt in seinem Film, der als erster sudanesischer Beitrag überhaupt im offiziellen Programm des Filmfestivals in Cannes lief, eine von Rassismen und Ressentiments durchzogene Gesellschaft. 

Im Film überschlagen sich die Ereignisse, nachdem Mona den fünfjährigen Sohn der aus dem Süden stammenden Christin Julia (Siran Riak) anfährt. Deren Mann verfolgt die Fahrerflüchtige mit dem Motorrad bis zu ihrem Haus und wird dort von Akram erschossen: eine melodramatisch aufgeladene Gemengelage, mit der Kordofani das Große im Kleinen durchspielt. Die rassistische Polizei spricht später davon, dass ein Unbekannter einen Unbekannten erschossen habe, damit juristisch ein Verfahren wegen Mordes umgangen wird. 

Die Gegensätze treffen aufeinander, als Mona die sich um ihren Mann sorgende Julia als Dienstmädchen bei sich aufnimmt und ihrem Sohn den Unterricht in einer Privatschule finanziert. Ihrem Mann Akram ist die Christin jedoch ein Dorn im Auge, er beschimpft »die aus dem Süden« als »wilde, streunende Hunde«. Der Patriarch zwingt Mona, draußen einen Nikab zu tragen, und verbietet der einstigen Musikerin, selbst wieder auf Bühnen zu singen oder auch nur Konzerte zu besuchen. 

Kordofani erzählt in ruhigen Einstellungen und engem Bildformat vom Bündnis zweier Frauen allen rassistischen Vorurteilen zum Trotz. Dass Monas Triebfeder zunächst das schlechte Gewissen gegenüber Julia ist und dass sie dem Hausmädchen das Schicksal ihres Mannes vorenthält, macht sie zur interessantesten und komplexesten Figur, während die titelgebende Julia und Akram recht eindimensional bleiben. Dass Kordofani seine Mona mit dem eingesperrten Singvogel im Käfig assoziiert, wirkt in der wenig subtilen Metaphorik abgegriffen. 

Etwas thesenhaft mag auch die Spiegelung gesellschaftspolitischer Ereignisse im Privaten sein, doch steckt in dieser kinematographischen Verdichtung die Stärke von »Goodbye Julia«. Kordofanis Film stellt seine humanistische Idee über alles und formuliert damit eine (feministisch gefärbte) Hoffnung für sein Land, die es nach den aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und der Miliz RSF mehr denn je braucht.

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