Kritik zu Goldhammer – The Retired Whore
Die Dokumentarfilmer Pablo Ben Yakov und André Krummel lassen auf ihren umstrittenen »Lord Of The Toys« ein weiteres schwieriges, weil nie wertendes Porträt eines Charakters der rechtspopulistischen Szene folgen
Das große Problem bei Dokumentarfilmen ist die Frage der Kontrolle. Wer entscheidet, wohin die Reise geht und was der Film am Ende sein soll? Wenn das Objekt der Darstellung und die Regie offensichtlich unterschiedliche Ziele haben, kann ein solches Vorhaben kaum mehr gelingen. Die Spannung des Films verschiebt sich dann auf eine andere Ebene, und man denkt unwillkürlich aus zwei Perspektiven. In Fall von »Goldhammer« zum einen aus der des schwulen, gutaussehenden Marcel Goldammer, der irgendwann seine provinzielle Heimat verlässt, in Berlin als Schauspieler und Sexarbeiter sein Geld verdient und dann in die AfD eintritt. Zum anderen aus der der Filmemacher André Krummel und Pablo Ben Yakov, die fasziniert sind von dem Charisma ihrer Hauptfigur, ihm, dem alles zu gelingen scheint, folgen und irgendwann Teil einer völlig überfrachteten Kunstwelt werden, in der sich Marcel Goldammer von einer Identität zur nächsten schwingt. Die Kamera ändert plötzlich ihre Funktion. War sie erst Medium der teilnahmslosen Beobachtung, so wird sie jetzt zum Instrument der Selbstinszenierung. Aus dem kleinen Vogel (Goldammer) wird im Laufe der Geschichte, ohne dass es groß auffällt, durch Hinzufügen eines stimmlosen Buchstabens ein Superheld (Goldhammer).
Als der Film beim Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken gezeigt wurde, trat ein selbstsicherer Goldammer auf, der auch der Identität des rechten Politikers schon wieder abgeschworen hatte und den Film als Propagandainstrument in eigener Sache zu nutzen wusste.
Wie kann so etwas passieren? Wenn man eine Lebensgeschichte präsentiert bekommt, die außergewöhnlich klingt und einen in unbekannte Gebiete führt, dann ist man schnell bereit, ihr zu folgen. Marcel Goldammer verkehrt als Stricher mit dem reichen Jetset, geht dann nach Israel, nimmt den jüdischen Glauben an, wird Aktivist und lernt dann einen sehr reichen Chinesen kennen, der ihm ein aufwendiges Leben finanziert. Ohne Schulabschluss lernt er fünf Sprachen fließend, darunter Chinesisch und Japanisch, und macht durch seine Zielsicherheit Eindruck. Mehr aus Langeweile als aus Provokationsdrang schließt er sich dann der AfD an und wird als homosexueller Jude Rechtspopulist.
Was klingt wie eine Farce aus der Feder von Sacha Baron Cohen ist aber ein ernstes Spiel mit den Möglichkeiten der Realität. Goldammers buntes, extravagantes Leben, in dem alles konsumiert wird, Körper, Drogen und Einstellungen, ist ein oberflächlicher Rausch ohne Bodenhaftung. Wenn aus der anfänglichen Attraktivität der Figur ein abstoßender Charakter wird, dann erscheint das aber weniger als Leistung des Films, sondern der Figur. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, die manipulative Kraft von Marcel Goldammer zu durchschauen und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Der Film selbst zeigt keine Haltung, er läuft Marcel Goldammer gleichsam hinterher, bis zur letzten Einstellung. Die Faszination seiner künstlichen Glitzerwelt bleibt auf sträfliche Weise ungebrochen.
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