Kritik zu Germans & Jews
Ein neugieriger Blick aus den USA auf das Zusammenleben jüdischer und nicht-jüdischer Menschen in Deutschland
Dass das Verhältnis zwischen aus der Emigration zurückgekehrten, überlebenden oder später zugewanderten Jüdinnen und Juden und nicht-jüdischen Deutschen auch fünfundsiebzig Jahre nach dem Ende des NS-Regimes so komplex wie dynamisch ist, darf als Selbstverständlichkeit gelten. Nicht ganz so selbstverständlich ist es, dass seit 1945 wieder zunehmend jüdisches Leben in Deutschland entstand. Überraschen wird diese Tatsache aber niemanden, der oder die mit wachem Sinn hier lebt.
Bei den beiden in den USA lebenden Filmemacherinnen Janina Quint und Tal Recanati war das anders. Die (eine nicht-jüdische Deutsche und eine jüdische US-Bürgerin) waren bei einem Besuch so erstaunt von dieser jüdischen Präsenz, dass sie ein Filmprojekt dazu initiierten. Dieses rankt sich lose um ein Abendessen in einer Berliner Villa, das ein gutes Dutzend gebildeter Menschen in mittleren Jahren zum interkulturellen Gespräch zusammenbringt. Dabei kreist die durch Rotwein gelöste Unterhaltung um die Prekaritäten im Umgang zwischen Juden und Nicht-Juden in Deutschland.
Dazwischen setzt der Film uneinheitlich inszenierte meist in englischer Sprache geführte Gespräche mit einzelnen der Gäste, aber auch weiteren Partnern wie dem 2016 verstorbenen Fritz Stern, Rafael Seligmann, Herbert Grönemeyer und dem gegen Ende des Films immer raumgreifender einmontierten Historiker Thorsten Wagner zum Thema. Verbunden werden sie durch eine mit Archivbildern unterlegte Erzählung historischer Standardtopoi, die vom deutsch-israelischen Reparations-Abkommen 1952 über den Eichmann-Prozeß und die Ausstrahlung von »Holocaust« bis zur deutschen Mahnmal-Kultur führt.
Dazu atmosphärische Musik und Berlin-Bilder mit einiger Schornstein-Metaphorik und den vertrauten touristischen Stereotypen. Denn das Deutsche (wobei der Titel »Germans & Jews« ja ironischerweise die von einer Jüdin im Film beklagte Ausgrenzung aus dem Deutschsein wiederholt) reduziert sich hier auf das als »Stadt mit dem größten Wachstum jüdischer Bevölkerung in Europa« benannte Berlin: Eine nicht ganz aktuelle Angabe, die sich auf die Zeit der starken Einwanderung aus der Sowjetunion nach der Wende und den später einsetzenden Zuzug junger Israelis bezieht.
Nicht nur hier sieht man dem schon 2016 in den USA gestarteten – und offensichtlich auch für ein dortiges Publikum gemachten – Film an, dass er nicht mehr ganz frisch ist. So kommt die brisante Frage nach dem Erstarken rechtextremer Kräfte gar nicht vor. Große Leerstellen gibt es auch im ganz auf das bürgerliche Milieu und dessen Befindlichkeiten beschränkten Setting: Migranten etwa gibt es hier nur unter den jüdischen Beteiligten oder als Objekt des Diskurses. Und auch die wichtige und oft umstrittene Rolle des Zentralrats der Juden in Deutschland, der die jüdische Präsenz in der deutschen Öffentlichkeit über Jahrzehnte geprägt hat, wird völlig ausgeblendet. So bleibt der Blick von »Germans & Jews« angesichts der aktuellen Lage insgesamt zu unverbindlich und harmlos.
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