Kritik zu Genesis 2.0
Der Schweizer Christian Frei (»War Photographer«) erzählt von der biotechnologischen Revolution im Spannungsfeld zwischen sibirischen Elfenbeinjägern und Hightech-Wissenschaft
Ein gutes Dutzend Männer in Tarn- und Jägerkleidung, die unter trübem arktischen Himmel Felsen und niedriges Grün des neusibirischen Archipels durchstreifen. Die Tarnung wäre nicht nötig. Denn das Objekt der Jagd ist seit zehntausend Jahren ausgestorben. Es sind Mammuts, genauer, ihre großen Stoßzähne, die oft nah unter der Grasnarbe liegen und im Permafrost konserviert wurden. Jetzt kommt es zu einer Art Goldrausch. Denn das »weiße Gold« ist wertvoll, für ein gut erhaltenes Exemplar kann es bei den chinesischen Händlern fast 50.000 Dollar geben. Auch deshalb, so erklären es im Film knappe Zwischentitel, arbeiten die jakutischen Mammutjäger um Peter Grigoriev in kleinen Zwei- oder Drei-Mann-Teams auf eigenes Glück: Wer findet, bekommt auch den Erlös.
Peters Bruder Semyon Grigoriev ist Leiter des Mammut-Museums der Föderalen Universität von Nordostsibirien. Er erzählt davon, dass die Mammuts früher als heilige Tiere aus der Unterwelt galten und jeder Kontakt mit ihren Überresten vermeintlich Unglück über die Finder brachte. Eine Spannung, die der erfahrene Schweizer Dokumentarfilmer Christian Frei geschickt in seinen Film einbringt, wenn er in Nebenhandlungen mögliche Gefahren durch suchtartige Gier, untreue Ehefrauen oder die gefährliche Rückfahrt von den erst 1723 entdeckten Inseln heraufbeschwört.
Doch die wirkliche Bedrohung (daran lässt der Film keine Zweifel) lauert woanders. Nämlich im rasanten Fortschritt der synthetischen Biologie, die im Film erst durch die »International Genetically Engineered Machine Competition« (iGEM) in Boston (»We are now taking control of our own evolution«) mit Studenten aus aller Welt und dann durch den Gen-Forscher George Church und Firmen in Südkorea und China vorgestellt wird: Die Sooam Biotech Research etwa, wo man für hunderttausend Dollar Klone seines verstorbenen Lieblingshunds ordern kann. Auch als die jakutischen Mammutjäger ein samt Bluttropfen gut erhaltenes Wollhaar-Mammut finden, wandert dies über Semyon Gregoriev zu der Firma und ihrem einst wegen Forschungsbetrugs verurteilten CEO Woo Suk Hwang. In der 2016 in Shenzhen eröffneten Genbank erzählt eine Mitarbeiterin stolz von der vorgeburtlichen Aussortierung von Menschen mit Down-Syndrom als »Cash-Cow« des Gewerbes und reagiert mit sichtlichem Unverständnis auf ethische Vorbehalte eines europäischen Gasts.
Der Film lebt vom realen und visuellen Kontrast zwischen den beiden vorgestellten Welten in Wildnis und Gen-Laboren. Erzählt ist er adäquat als (wohl fiktiver) E-Mail-Dialog zwischen dem in den USA und Asien drehenden Christian Frei und seinem jungen Koregisseur Maxim Arbugaev, der den harten Outdoor-Part in der Polarregion übernimmt, wo einfache Schlauchboote und wie selbstgebastelt aussehende knatternde Motor-Gefährte den Transport übernehmen. Weitgehend unklar – und damit etwas unbefriedigend – bleibt die zeitliche Einordnung der verschiedenen Funde.
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