Kritik zu Garage
Eine marode Garage und ein eigenwilliger Tankwart: Mit diesen minimalistischen Zutaten inszeniert der Ire Lenny Abrahamson ein introvertiertes Coming-of-age-Drama als poetische Version von »Der Mann, den Sie Pferd nannten«
Sein Lebtag arbeitet Josie, ein liebenswürdig-verschrobener Einzelgänger um die 50, irgendwo in Irland an einer spärlich frequentierten Provinztankstelle. Eigentlich braucht man ihn nicht. Auf eine kindlich-hartnäckige Art versucht er, sich nützlich zu machen, weshalb die anderen ihn abends im Pub als typischen Dorftrottel aufziehen. Er wirkt zurückgeblieben, ist aber nicht psychologisch »auffällig«. Auf seine Weise ist er zufrieden mit seinem monotonen, der Zeit entrückten Dasein. Der irische Comedy-Star Pat Shortt spielt diesen sozialen Autisten, dessen Typ vertraut wirkt, ohne einem Klischee zu entsprechen, mit traumwandlerischem Understatement. Die erfrischende Langsamkeit der Erzählung wird von einer Fülle pointierter Beobachtungen getragen. In seinem lautlosen Drama vermeidet der Ire Lenny Abrahamson den Fehler, triste Gleichförmigkeit durch eine langweilige Inszenierung zu verdoppeln. Im Gegenteil.
Ganz allmählich nimmt in diese hermetische Welt das Unheil Einzug. Die Verkäuferin Carmel, frustrierte Dorfschönheit, sieht in Josie zunächst nur den asexuellen Teddybären. Ganz nebenbei drängt sie dem Tankwart, der täglich bei ihr einkauft, ein paar Äpfel auf. Unschuldig wie er ist, verfüttert Josie dieses Fallobst vom Baum der Erkenntnis an ein Pferd, an dessen Koppel er täglich vorbeikommt und in dem er einen Seelenverwandten erblickt.
Schließlich erhält Josie, der wie Robinson auf einer seelischen Insel lebt, einen Gefährten in Gestalt des verschüchterten Teenagers David. Dessen Mutter will offenbar mit Josies Chef allein sein und »parkt« ihren Sohn in der Garage, in der ein Gehilfe weiß Gott nicht gebraucht wird. Die beiden freunden sich an, rauchen, trinken ein paar Bier. Nichts Schlimmes. Doch als Josie nichtsahnend eine Pornokassette einlegt, die ein wohlmeinender Truckfahrer ihm schenkte, läuft der Junge verstört davon. Tags darauf wird Josie von der Polizei verhört. Wessen genau er bezichtigt wird, bleibt unklar. Es sei aber schlimm, erklärt der Polizist. Josie soll sich bloß fernhalten vom Ort. Eine kafkaeske Schuld, die um zwei Ecken mit dem Hereinbrechen des sexuellen Motivs zu tun hat, hält Josie im Würgegriff. Doch diese Situation ist unerträglich.
Nachdem die erste Szene des Films einen Güterzug zeigte, der den Ort verlässt, zeigt das letzte Bild das mit Josie assoziierte, namenlose Pferd. Auf den Bahnschienen kommt es dem Zuschauer entgegen. Ein schönes, kraftvolles Bild, das vieles, aber eben nicht alles sagt. Wer sich auf die erhabene Beiläufigkeit dieser introvertierten Tragödie einlässt, den tritt am Ende ein Pferd. Mit bescheidenen inszenatorischen Mitteln erreicht Lenny Abrahamson ein Maximum an Wirkung und vermittelt eine allenfalls geflüsterte Message. Ein sehr eigenwilliger, im positiven Sinn verschrobener Film, der von markanten Landschaftsbildern und einer gedämpften Stimmung lebt, ohne sich als Milieustudie aufzudrängen. Der Arthousefilm ist auf bescheidene Weise kunstvoll ohne künstlich zu wirken.
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