Kritik zu Gangster Squad
Ruben Fleischer (»Zombieland«) haucht mit einem Action-Film-noir um ein paar aufrechte Cops, die einen Mafiaboss zur Strecke bringen, der Warner Bros.-Tradition des Gangsterfilms neues Leben ein
Es ist eine dieser lauen Winternächte, in denen Los Angeles tatsächlich etwas von einer Stadt der Engel hat. Sergeant John O'Mara (Josh Brolin) und sein Partner Sergeant Jerry Wooters (Ryan Gosling) sitzen bei einem Glas Whiskey auf der Veranda vor O'Maras Haus. Dieser Augenblick der Ruhe und der Erinnerungen, des Innehaltens und der Kontemplation hätte fast etwas Idyllisches, wären da nicht gleichzeitig die unzähligen Einschusslöcher in der Hauswand und die zerstörten Fensterscheiben.
Die Gewalt und das Töten haben die beiden Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die nun im Dienst der Polizei von Los Angeles stehen, wieder eingeholt. Das Kriegsgebiet ist diesmal aber ihre eigene Stadt, die sich schon fast ganz in der Hand des Feindes, des überaus brutalen Gangsterbosses Mickey Cohen (Sean Penn), befindet. Nach einem desaströsen Fehlschlag scheint der Kampf für die beiden Polizisten verloren zu sein. Und nun will ausgerechnet Josh Brolins John O'Mara, der bis dahin nicht die geringsten Zweifel an seiner Mission hatte, aufgeben. Doch dazu ist der eigentlich viel pragmatischere Jerry Wooters, der bereits an der Pazifikfront jeden Idealismus verloren hat, noch nicht bereit. Die Rollen haben sich vertauscht. Jetzt ist er es, der O'Mara dazu drängt, weiter an sich selbst und an seine eisernen Prinzipien zu glauben.
In diesem eher melancholischen Moment erinnert Ruben Fleischers ansonsten sehr greller, comichaft zugespitzter Neo-Noir mit einem Mal an die Filme John Fords. Die immer noch schwärenden Wunden des großen Krieges treten offen zutage, und der Schmerz einer Generation, die sich selbst verloren hat, wird zum stummen, erstickten Schrei. Als Wiedergänger klassischer Ford-Westernhelden finden die beiden Polizisten John O'Mara und Jerry Wooters zu sich selbst zurück.
Das Kino, seine Mythen und seine Lehren sind allgegenwärtig in diesem Film, der vor allem auch eine Hommage an das Los Angeles der späten 1940er Jahre ist. Die Macht der Bilder erweist sich dabei sogar als noch größer als die der Fakten. Denn natürlich basiert die Geschichte von Sergeant John O'Mara und den Männern, die mit brutalen Guerillataktiken den gefürchteten Mafiaboss Mickey Cohen zur Strecke gebracht haben, auf tatsächlichen Begebenheiten. Aber ebenso natürlich haben längst die Legenden die Wirklichkeit überschattet und die Geschichte umgeschrieben. Folgerichtig also imaginiert Regisseur Ruben Fleischer dieses blutige Kapitel aus der Verbrechenshistorie von Los Angeles als Wiederkehr von Kinogeschichte. Die klassischen Gangsterfilme und Film noirs, die das Studio der Warner Bros. in jenen Jahren produziert hat, prägten schließlich schon damals das Auftreten der Gangster wie der Cops.
Die maßlose Gier und zügellose Brutalität eines »Scarface« wie auch des »Public Enemy« sind der Stoff, aus dem Mickey Cohens Allmachtsfantasien gemacht sind. Immer wieder verkündet der Gangster, der eine Karriere als Boxer hinter sich hat, dass er der Fortschritt sei. Der amerikanische Traum hat ein Monster geboren, das von Hollywood gelernt hat, dass Maßlosigkeit eine Tugend und Mord nur ein weiteres Mittel zum Zweck ist. Sean Penns ebenso maßlose Performance, dieser rauschhafte Abstieg in einen erschreckend logischen Wahnsinn, hat beinahe etwas von einer Geisterbeschwörung.
Dieser Mickey Cohen scheint besessen zu sein von nahezu allen bad guys Hollywoods. Aber auch Sergeant John O'Mara und seine Männer, der Dandy Jerry Wooters, der gealterte »Gunfighter« Max Kennard (Robert Patrick), der schwarze Streifenpolizist Coleman Harris (Anthony Mackie), der Neuling Navidad Ramirez (Michael Peña) und der Abhörspezialist Conway Keeler (Giovanni Ribisi), könnten direkt von einer Kinoleinwand heruntergestiegen sein. Jeder von ihnen bringt eine lange Geschichte und Tradition verschiedener Filmfiguren mit.
Stückchen für Stückchen, Assoziation für Assoziation schafft sich Ruben Fleischer eine eigene berauschende und erstaunlich wahrhaftige Welt aus Filmzitaten und Groschenromanmythen. Dabei treibt er ein sich immer weiter steigerndes Spiel auf mehreren Metaebenen. So ziert Max Kennard (Robert Patrick) an einer Stelle die Titelseite einer Ausgabe des damals beliebten Groschenmagazins »True Detective«. Die Cover dieser Heftchen, eine ganz und gar amerikanische Kunst, sind auch sonst allgegenwärtig. Deren reißerische Ästhetik mit ihren extremen Farben und hohen Kontrasten hat Fleischer und seinen Kameramann mehr als nur inspiriert. Ihr Blick zurück in die Zeit, als in Los Angeles die Polizei und die Politik, die Justiz und die Medien von Mickey Cohen und anderen Gangstern beherrscht wurden, wird zur fantastischen Artdéco-Vision eines hardboiled Amerika. Fleischer filmt die Legende und trifft damit eine tiefere Wahrheit.
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