Kritik zu Führer und Verführer

© Wild Bunch

Joeseph Goebbels war der Chefdemagoge Hitlers. Joachim Lang zeigt in seinem Spielfilm Goebbels' Aufstieg zum zweiten Mann Nazideutschlands zwischen 1938 und 1945

Bewertung: 4
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Als Adolf Hitler nach dem sogenannten »Anschluss« Österreichs im Jahr 1938 nach Berlin zurückkehrt, wird ihm ein triumphaler Empfang bereitet. Die Menschen jubeln ihm zu, ein Mädchen streckt ihm eine Rose entgegen. Alles ein Werk des Propagandaministers und seiner Mitarbeiter. Joseph Goebbels fährt in Führer und Verführer durch die Straßen, um die Vorbereitungen zu überprüfen. »Wir schaffen die Bilder, die bleiben werden«, sagt der Minister zu seinen Abteilungsleitern, die alles tun, damit in der gleichgeschalteten Presse steht: »Triumphaler Einzug des Führers in die Hauptstadt des Großdeutschen Reiches«. Und wir sehen gewissermaßen das fertige Bild aus der Wochenschau: wie der »Führer« die Ovationen der jubelnden Menge entgegennimmt. Diese Methode wendet der Film auch bei der berüchtigten Rede zum »totalen Krieg« im Berliner Sportpalast 1943 an.

Das sind sicherlich die stärksten Momente des neuen Films von Joachim A. Lang (»Mackie Messer«): hinter die Kulissen der Inszenierungen des »Dritten Reiches« zu schauen, zu zeigen, wie Propaganda funktioniert und wie perfekt sie das NS-Regime beherrschte, und darauf zu insistieren, welchen Einfluss schon damals Fake News und Schlagwörter hatten. Für Historiker mag das nichts Neues sein, aber: Dieser Blickwinkel scheint gerade heute, da rechte Demagogen gezielt mit Desinformationen arbeiten, von großer Wichtigkeit. Deshalb steht auch im Film von Lang der Propagandaminister im Mittelpunkt; aus seiner Sicht zeigt der Film die Nazi-Clique. »Führer und Verführer« liefert eine Innensicht der Macht in Nazideutschland zwischen 1938 und 1945. Lang zeigt die Gruppendynamik der NS-Führung an den ritualhaften Mittagessen, die Hitler auf dem Berghof für seine Getreuen, unter anderem Himmler, Göring und Speer, veranstaltet: Die Günstlinge des Tages dürfen an seiner Seite sitzen. 

Lang ist nicht der Erste, der eine solche Innensicht versucht, zu nennen wären etwa Pabsts »Der letzte Akt« (1955) oder Breloers »Speer und er« (2005), doch ist aus »Führer und Verführer« kein menschelnder Goebbels geworden, so wie der fragwürdige »Untergang« (2005) einen Hitler privat präsentierte. Auch mit der Mimesis treibt es der Film nicht allzu weit: Robert Stadlober deutet den rheinischen Dialekt von Goebbels nur an und verzichtet auf ein ostentatives Humpeln. Fritz Karl als Hitler führt dessen Hybris eher im Plauderton vor. Und seine Stimme mit österreichischem Einschlag ähnelt tatsächlich der Stimme Hitlers, die der Film in der einzig erhaltenen Privataufnahme des Diktators aus dem Jahr 1942 erklingen lässt – ohne das inszenierte Gekreische und Pathos seiner öffentlichen Auftritte. 

Dass Goebbels und Hitler glühende Antisemiten waren, dass der von ihnen angezettelte Weltkrieg von Anfang an die physische Vernichtung des Gegners zum Ziel hatte, das stellt der Film deutlich heraus. Und er konterkariert die Politik von oben mit ihren Konsequenzen: Holocaust-Überlebende wie Elly Gotz oder Charlotte Knobloch kommen in kürzeren Statements zu Wort, die das Spielfilmgeschehen unterbrechen. Und das letzte Wort in diesem Film hat Margot Friedländer: »Menschen haben Menschen zu respektieren.«

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt