Kritik zu Frohes Schaffen
Ist Arbeit zur eigentlichen Religion geworden, der die Menschen huldigen und opfern, und die den Lebensinhalt bestimmt? Konstantin Faigle versucht mit einer Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm, Antworten zu finden
Wie schön wäre das Leben ohne lästige Pflichten, zum Beispiel: Arbeit. Man könnte sich, wie der Schauspieler zu Beginn dieser Doku-Fiction, entspannt zurücklehnen und in aller Muße die Zimmerdecke anstarren. Ist das etwa eine Satire? Nicht ganz, denn Regisseur Konstantin Faigle nimmt seine anarchische Botschaft doch sehr ernst. Das war nicht immer so. In seinem genialen und auf unkonventionelle Weise volkstümlichen Dokumentarfilm Out of Edeka von 2001 hat er mit Feingefühl und Witz beobachtet, wie der Tante-Emma-Laden seiner Eltern ein Opfer des Fortschrittes wurde. Mit einer originellen Mischung aus liebevollen Detailbeobachtungen und skurrilen Spielszenen entwickelte Faigle dabei ein eigenes Format. Doch schon in seiner darauf folgenden Dokukomödie Die grosse Depression von 2005, in der er den Blick vom schwäbischen Dorf auf die Gefühlslage der Nation erweiterte, mischten sich seine Eulenspiegeleien mit schwerfälligem Bierernst. Dieses Problem schlägt sich auch in seinem dokumentarischen Vexierspiel Frohes Schaffen nieder, das als »Film zur Senkung der Arbeitsmoral« verstanden werden soll.
Ausgewählte Statements von Evolutionspsychologen, Ökonomen, Sozialwissenschaftlern, Philosophen und Hartz-IV-Empfängern beschwören das ebenso düstere wie altbekannte Bild, wonach Arbeit den Menschen entfremde. Losgelöst von ihrem eigentlichen Zweck ist Erwerbstätigkeit zur Religion geworden. Das Interview mit dem gemobbten Exmitarbeiter einer staatlichen französischen Telefonfirma führt vor Augen, wie Menschen in Konzernen sich seelisch zerfleischen. Bilder leerstehender Fabrikhallen von Quelle und Nokia dokumentieren, zu welchem Resultat ein Arbeitsprozess führt, der nur um sich selbst kreist. So kann es nicht mehr weitergehen: »Vielleicht haben wir in zehn Jahren Kommunismus?«, spekuliert ein besorgter Börsenmakler aus Frankfurt.
Der Ausweg aus dem Teufelskreis führt über eine Abwertung des Arbeitsbegriffs. Wie das konkret funktionieren soll, deuten Spielszenen an. Da gibt es etwa den Workaholic-Ingenieur, der mangels sozialer Beziehungen plötzlich am Burn-out leidet. Ein kontaktfreudiger junger Mann mit Mofapanne lockt den Trübsalblasenden aus dem Schneckenhaus. Beide helfen sich gegenseitig, knattern mit dem Moped durch die Straßen – und schon braucht der Ingenieur keine psychologische Behandlung mehr: An dieser modellhaft skizzierten urbanen Utopie frappiert das Defizit in der filmischen Beobachtung wirklicher Menschen. Die gezeigten Helden der Arbeitsniederlegung haben als Charaktere so viel Charme wie eine Playmobilfigur. So verspielt Faigle die Sympathien, die man seiner ungestümen Mischung aus Agitprop à la Michael Moore und fröhlichem Dilettantismus à la Christoph Schlingensief entgegenbringt. Nicht zufällig reproduziert Frohes Schaffen einen performativen Widerspruch: Das Anschauen dieser Doku, die Arbeit als überschätzt brandmarkt, ist selbst ein Stück Arbeit.
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