Kritik zu Fossil
In seinem zweiten Spielfilm erzählt Henning Beckhoff vom Klimastreit in einer Familie
Es ist eine geschundene Landschaft. Bis zum Horizont zieht sich die Sandwüste, an deren Rändern noch ein Rest Wald zu sehen ist. Wahrscheinlich hat er einmal das ganze Areal bedeckt. Wer das angerichtet hat, ist schnell klar: der gigantische Bagger mit seinem riesigen Ausleger, der die Kohle im Tagebau fördert. Auf langen Schienen bewegt er sich – eine Maschinerie, die sich langsam, aber stetig in die Landschaft frisst.
Doch damit soll bald Schluss sein. Mit dem Ausstieg aus der Kohle soll die riesige Grube in einen künstlichen See verwandelt werden. Doch damit nicht genug: Weil niemand mehr eine solche gigantische Maschinerie braucht, soll sie kurzerhand gesprengt werden. Diese Sprengung ist nicht nur ein Stich ins Herz von Michael, sondern der Zusammenbruch seiner Welt, die auf der Kohle gründet. Vier Jahrzehnte hat er den Bagger gewartet, er ist sein Leben. Doch für ihn kommt es noch dicker: Ein Kollege hat sich erhängt (wegen der Schließung der Grube, wie Michael annimmt), und seine Tochter schließt sich mit ihrem kleinen Sohn den Klimaaktivisten im Protestcamp im Wald an. Dass seine Frau im heimischen Bungalow mit VR die animierte zukünftige Seenlandschaft bestaunt, kommentiert er nur mit: »Dann kann ich ja nur hoffen, dass ich das nicht mehr erleben muss.«
Natürlich ist das »Fossil« des Titels mehrdeutig. Damit ist nicht nur der Abbau fossiler Energie gemeint, sondern auch der wie aus einer anderen Welt stammende Michael, den Markus Hering als verbissenen, unzugänglichen Grantler bravourös spielt. Und wenn im Hintergrund der riesige Bagger auftaucht, kann man an einen Dinosaurier denken. Michael ist so etwas wie eine Mixtur aus dem legendären Ekel Alfred aus Wolfgang Menges Fernsehserie (nur nicht so rechts) und dem Meister Anton aus Hebbels Drama »Maria Magdalena«, der am Ende die Welt nicht mehr versteht. »Gehen Sie zurück an Ihre Uni, dann sind alle zufrieden«, geht er die »Transformationsmanagerin« an.
»Fossil« hat seine Stärken in einer ruhigen Fotografie, die die Weite der von Menschenhand geschaffenen Wüstenlandschaft mit dem verblassten Chic von Michaels von hohen Hecken eingefasstem Bungalow kontrastiert. Und dass von den riesigen Maschinen eine große Faszinationskraft ausgeht, überträgt sich auch. Dass Menschen in der Lage sind, so ein riesiges Loch zu buddeln, damit wirbt er einmal bei seinem Enkel. Was aber übrigens keinen positiven Effekt hat. Das kann aber nicht über die oft fühlbare Konstruiertheit der Geschichte des Films hinweghelfen, die wenig subtil ihre Figuren aufeinanderprallen lässt und einige Untiefen besitzt. Wieso eigentlich kämpft der 65-jährige Michael mit dieser Verbissenheit, wenn doch spätestens ein Jahr darauf sein Arbeitsleben sowieso vorbei sein wird? Und warum in aller Welt errichten die Klimaaktivisten just an dem Ort ihr Protestcamp, an dem der Kohleausstieg längst politisch beschlossene Sache ist? Der Wald, in dem sie campen, wird bestimmt nicht mehr abgeholzt.
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