Kritik zu Familienfieber
German Mumblecore at its best: Nico Sommer erzählt von zwei Ehen in der Krise – auf entspannte, aber im Detail sehr genaue Weise
Es ist eine Situation wie aus einer Boulevardkomödie. Maja (Kathrin Waligura) und Uwe (Peter Trabner) stecken im Trott des Alltags fest. Maja hat eine offenbar genau getaktete Nach-der-Arbeit-Affäre mit Stefan (Jörg Witte), der mit seiner etwas esoterisch eingestellten Frau Birgit (Deborah Kaufmann) und dem Sohn Nico auf einem Schloss im Brandenburgischen lebt. Uwe und Majas Tochter Alina und Nico erwarten ein Kind und haben ihre Eltern, die sich bislang nicht offiziell kennen, auf ein Schloss eingeladen, um ihnen das mitzuteilen. Für Maja und Stefan bedeutet das eine böse Überraschung.
Daraus hätte man einen Schenkelklopfer machen können, nicht umsonst heißen Stefan und Birgit vielsagend Ohnsorg – ohne e, wie Stefan betont. Aber für Nico Sommer, der mit diesem seinem zweiten Film im letzten Jahr den Max-Ophüls-Preis gewann, ist das nur der Ausgangspunkt, um zwei vielleicht gescheiterte Ehen zur Explosion zu bringen, eine Versuchsanordnung, um an der Fassade seiner Figuren zu kratzen. Der German-Mumblecore-Regular Peter Trabner etwa spielt Uwe, der in den Straßen Plakate klebt, einen etwas rüden Tonfall am Leib hat und auf den ersten Blick wie der Inbegriff des unfreundlichen Berliner Prolls wirkt. Selbst wenn er in der Mitte des Films hauptsächlich spärlich bekleidet herumläuft – er zeigt auch sanfte, einfühlsame Seiten, erzählt von seinen Lebensbrüchen. Von ihm stammt auch die Idee, zu einer Art Therapie zu schreiten (»Ich geh dann mal kacken, und dann machen wir das«) und die Beteiligten der Ménage-à-quatre sich gegenseitig interviewen zu lassen. Diese einmontierten Passagen geben dem Film eine fast dokumentarische Note und eine selbstreflexive Ebene. Während Stefan am Anfang ein Bohemien-Image kultiviert, wird er sich später als rückgratlos entpuppen. Und gegen Trabner anzuspielen, dürfte keinem Schauspieler leicht fallen. Don’t mess with Peter.
In sieben Tagen, mit einem Skript von nur vier Seiten hat Sommer den Film gedreht, weitgehend improvisiert, wie es das Mumblecore-Credo will. Aber vielleicht gelingen nur so Szenen wie die Eröffnung, die in wenigen Minuten alles über Maja und Uwe sagt. Die beiden sind im Badezimmer, er sitzt auf dem Klo, sie zieht ihren Lidstrich nach. Das fehlende Schamgefühl erzählt von einer verloren gegangenen Spannung und den vielen Jahren einer Ehe. Ach ja, gespült hat er auch nicht. Nico Sommer versteht sich auf solche lakonisch grundierten Alttagssituationen, und wenn Maja beim gemeinsamen Sonnenbaden der vier die Affäre im Nebenbei enthüllt, als würde sie über jemanden anders reden, dann machen die Schauspieler und ihr Regisseur aus dieser Enthüllungsszene ein großartiges Ineinander von Komik und Tragik, das überhaupt den ganzen Film bestimmt.
Ein bisschen verliert der Film die beiden Jugendlichen, die ja der Motor dieser Familienzusammenführung waren, aus den Augen. Für ihr Anliegen aber wird sich das als eher nützlich erweisen. Schließlich haben die Eltern ein intensives Wechselbad der Gefühle hinter sich und sind irgendwie – entspannt.
Nico Sommer im Gespräch mit Ulrich Sonnenschein:
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