Kritik zu Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit

© Farbfilm Verleih

2024
Original-Titel: 
Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit
Filmstart in Deutschland: 
20.06.2024
L: 
87 Min
FSK: 
12

Hans Block und Moritz Riesewieck (»The Cleaners«, 2018) widmen sich in dieser aufwendig produzierten internationalen Dokumentarfilmproduktion dem Thema Trauerbewältigung mit Mitteln der Künstlichen Intelligenz

Bewertung: 3
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»Jessica-Simulation« nennt Joshua die Software, die im Chat die Rolle seiner vor Jahren verstorbenen Freundin annimmt. Auch Christi Angel chattet mit dem digitalen Klon eines Ex-Partners, der ins Koma fiel und starb, als die echte Kommunikation zwischen beiden gerade in einer schwierigen Phase war. Stephenie Oney lässt mit einem geklonten Stimm-Avatar der Firma »HereAfter« ihren Vater virtuell wiederauferstehen – und Fragen beantworten, die ihm im echten Leben niemand gestellt hatte. Doch nicht jede in der Großfamilie findet diesen Überschuss an Erinnerungskultur toll.

Ermöglicht wird die virtuelle Präsenz der Verstorbenen durch auf KI-Weiterleben spezialisierte und in den USA als grief tech gelabelte Start-ups, deren Gründer sich im Film als Pioniere mentaler Weltverbesserung geben. Der bisherige Spieleentwickler Jason Rohrer etwa, der (in einer Garage!) die Entwicklung seines »Project December« aus persönlichen Erfahrungen erklärt und der Funktionsweise blumig »some kind of magic« bescheinigt. Justin Harrisons »You, Only Virtual« erstellt aus gesammelten Social-Media-Daten von Menschen Avatare zur posthumen Kommunikation und vergleicht den Effekt seines Geschäfts mit der Veränderung der Medizin durch die Herz-Lungen-Reanimation. Kim Jong-woo ist der Produzent von »Meeting You«, einer koreanischen TV-Show, die mit den Mitteln der Virtual Reality in einer kitschigen Kulisse die Wiederbegegnungen einer Mutter mit ihrer verstorbenen kleinen Tochter inszeniert, die damit nach eigenen Angaben ihre Schuldgefühle überwindet.

In solchen Hilfestellungen liegt auch der von den Betreibern ins Licht gestellte Nutzen der KI-Systeme, die früher von Parapsychologie besetzte Funktionen übernehmen. Psychologin Sherry Turkle bezeichnet sie im Film als Ersatzreligion, die den Weg zur richtigen Trauer verstellen könne. Oder nach hinten losgehen, wie bei Christi, deren Freund irgendwann zu seinem Seelenleben im Jenseits (»Was macht dich dort glücklich?«) eher beunruhigende Dinge chattet. Der Digital-Ethiker Carl Öhman beschreibt die fatalen Mechanismen eines Geschäftsmodells, das sich die Erinnerung erst als Ware aneignet und dann als laufende Dienstleistung zurückverkauft. So führe die gefühlte moralische Verpflichtung gegenüber den Verstorbenen in eine Art Abofalle, denn die Kündigung des Dienstes wäre ja ein neuer Tod.

Leider sind diese Verweise die einzige Form, in der der aufwendig gestaltete Film die konkrete geschäftliche Realität der Firmen vorstellt. So wird zwar deutlich, dass Rohrer und Harrison gesellschaftliche Verantwortung für ihre emotionalen Inventionen mit fast zynischem Unterton abweisen. Wie diese aber konkret funktionieren, bleibt unklar. Hat »Meeting You« mehr als diese eine Folge der Show produziert? Und auch Statements der Technologiekritikerin Sara M. Watson zum anstehenden »Grief-Tech«-Einstieg von Google und Microsoft bleiben zu vage. Wer den Film als Momentaufnahme zum Thema annimmt (und die wuchtig wuchernde Musik aushält), kann aus »Eternal You« dennoch einige Einsichten zu einer noch jungen KI-Variante mitnehmen.

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