Kritik zu Está todo bien – Alles ist gut
Ein Dokumentarfilm zum Notstand des venezolanischen Gesundheitswesens
Medial scheint Venezuela seit einiger Zeit omnipräsent. Hinsichtlich des Kinos ist das Krisenland eher ein blinder Fleck. Hoffnung auf Änderung macht dieser auf vielen Dokumentarfilmfestivals programmierte Film, der mit sichtbarem gestalterischem Anspruch auftritt. Thematisch allerdings geht es um ein aus dem journalistischen Diskurs vertrautes Sujet: den krassen Notstand im venezolanischen Gesundheitswesen.
Regisseur Tuki Jencquel hat fünf Personen ausgewählt, die aus verschiedenen Perspektiven mit dem Medikamenten- und Ärztemangel verknüpft sind: die betagte Inhaberin der »Farmacia Don Bosco«, die wegen leerer Arzneiregale die vielen, oft dringenden Fragen nach Diabetesmitteln oder Antibiotika immer öfter abweisen muss. Zwei junge Frauen, die selbst an Krebs erkrankt sind und sich die überlebenswichtigen Medikamente mühsam über soziale Netzwerke (oft aus Restbeständen Verstorbener) erbetteln. Einen Aktivisten, der Hilfsmittel aus dem Ausland organisiert und sich damit außerhalb der engen venezolanischen Legalität stellt. Und ein junger Klinikarzt, der sich politisch engagiert und bisher bewusst der Versuchung widerstand, in die USA oder nach Kanada zu gehen, wie es viele andere tun.
Auch Tuki Jencquel ist nach dem Filmstudium in New York nach Venezuela zurückgekehrt, um im Werbefilm zu arbeiten. »Está todo bien« ist sein zweiter langer Dokumentarfilm und er wurde zwischen Mai 2016 und August 2017 in Caracas gedreht. Umrahmt wird er von der Geschichte um die Apothekerin Rosalía, die am Ende ihre Apotheke schließen muss. Dazwischen wechselt der Blick von Drohnentotalen auf die venezolanische Hauptstadt zu dokumentarischen Nahblicken – und einer in Method-Acting-Manier und Schwarz-Weiß angelegten Inszenierung elementarer Situationen in einem Studioraum.
Doch auch die »dokumentarischen« Szenen wirken wie gelenkt und einstudiert nach einem nicht besonders klug gemachten Drehbuch. Da wird in einem Gespräch die Frage der Emigration erläutert und schon kurz darauf gibt es die passende Szene der Verabschiedung eines jungen Manns. Allzu oft dienen Telefongespräche dazu, Informationen und Hintergründe zu vermitteln. Und auch wenn Rosalía in einem langen Monolog ausführlich ihre Situation erklärt, ist als Adressat nicht wirklich der im Film neben ihr sitzende Ehemann gemeint, sondern das Publikum.
Dieses aber dürfte sich angesichts der Überrumpelungsversuche eher in skeptische Distanz zurückziehen, zumal die Figuren und ihre Motivationen undurchsichtig bleiben. Und »Está todo bien« erweist sich nicht als Alternative zur vertrauten TV-Reportage, sondern als nicht besonders geglückte Erweiterung. Ja, wenn kurz vor dem frühen Ende des ohnehin nur 70-minütigen Films erst ausführlich Gottesdienst gefeiert und dann von der jungen Leukämiekranken eine kitschige Hymne auf den Glauben angestimmt wird, könnte gar das Gefühl aufkommen, in einem Propagandafilm der katholischen Kirche gelandet zu sein.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns