Kritik zu Emma
Eine Emma für eine neue Generation: Die Musikvideo-Regisseurin Autumn de Wilde versucht in ihrer Jane-Austen-Verfilmung keine angestrengte Modernisierung, sondern lässt den Stoff für sich sprechen
»Emma« ist der letzte zu Lebzeiten veröffentlichte Roman von Jane Austen und der einzige, in dem die Heldin schon im Buchtitel verewigt wurde. Zur Verewigung der schillernden Figur haben auch zahlreiche Verfilmungen beigetragen. Schaut man sich die Liste der TV- und Kinoadaptionen an, so scheint es, dass jede Generation ihre eigene Emma als filmische Reinkarnation hervorgebracht hat. Auf der Leinwand war zuletzt Gwyneth Paltrow (1996) in der Rolle zu sehen, nachdem zuvor Amy Heckerling mit »Clueless« (1995) den Stoff frech als amerikanische Highschool-Komödie modernisiert hatte. Nach der BBC-Miniserie mit Romola Garai in der Titelrolle (2009) folgt nun mit Autumn de Wildes Kinodebüt die Emma für die Post-Millennium-Generation.
»Hübsch, klug und reich« lauten die Attribute, mit denen Emma im Vorspann beschrieben wird, bevor die Kamera den Blick auf das Gesicht von Anya Taylor-Joy freigibt. Die englisch-argentinische Schauspielerin hat als eiskalt mordende Wohlstands-Teenagerin in »Vollblüter« (2017) nachhaltig beeindruckt und kann sich hier nun von allen Horrorfilm-Stigmatisierungen freiarbeiten. Sie spielt Emma weniger mädchenhaft als ihre Vorgängerinnen. Das Gesicht ist jung, aber dahinter scheint eine deutlich ältere Seele zu wohnen, und diese Differenz verleiht der Figur auf der Leinwand eine interessante Grundspannung.
Ihre Emma ist keine, die man gleich ins Herz schließt. Ein Snob, in der Reichtumsblase des englischen Landadels aufgewachsen. Eine manipulative Kupplerin, die die weniger betuchte Harriet (Mia Goth) mehr als Projekt denn als Freundin begreift. Eine schlagfertige Wortakrobatin, die sich auf Augenhöhe mit dem jungen Gutsherren Mr. Knightley (Johnny Flynn) verbal zu duellieren versteht. Die Grenzen zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein bleiben hier stets im Fluss.
Die feinen Risse in der selbstsicheren Fassade werden erst allmählich und wohldosiert sichtbar gemacht, bis zu dem Punkt, an dem Knightley Emma für ihre kaltherzige Bemerkung gegenüber der einfältigen Miss Bates (Miranda Hart) zurechtweist. Der dramatische Höhepunkt inmitten des komödiantischen Geplätschers wird pointiert ausgespielt. Flynn versteht es bestens, die aufrichtige moralische Entrüstung seiner Figur mit den Gefühlen eines enttäuschten Liebenden aufzuschäumen. Überhaupt zeichnet sich diese »Emma«-Adaption dadurch aus, dass sie weniger auf ihre Titelheldin fixiert ist und den Stoff als echtes Ensemble-Stück inszeniert. Der unausgewogenen Beziehung der beiden Freundinnen wird ebenso viel Aufmerksamkeit geschenkt wie der On-/Off-Romanze zwischen Emma und Knightley. Dabei erweist sich vor allem Mia Goth als echte Entdeckung.
Sie spielt ihre Harriet als herzhaften Gefühlsmenschen voll aus, ohne ihre Figur an die Parodie zu verraten. In ihrem Austen-Relaunch geht es Regisseurin de Wilde weniger um eine feministische Neuinterpretation des Stoffes als um eine behutsame Vertiefung der Vorlage, die nach wie vor zur literarischen Ursuppe des Rom-Com-Genres gehört.
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