Kritik zu Elvis & Nixon
Sie haben sich tatsächlich getroffen, am 21.12.1970. Aus diesem historischen Fakt spinnt Liza Johnson eine teils komische, teils melancholische Legende über zwei Titanen amerikanischer Paranoia
Zwei Männer, deren Gesichter zu Masken der Pophistorie geworden sind. Zu Beginn von Liza Johnsons Film befinden sich beide in ihren jeweiligen Schaltzentralen. Der eine sitzt im Oval Office des Weißen Hauses: der mächtigste Mann der westlichen Welt im Gespräch mit seinen Beratern. Der andere lümmelt einsam im düsteren TV-Raum seines Graceland-Anwesens in Memphis, Tennessee: Der King des Rock 'n' Roll betrachtet auf unzähligen Monitoren das gewalttätige Leben in den USA von 1970. Zwei Supermänner der Politik und des Showbiz, der Yankee und der Südstaatler, die 1970 schon längst ins Zwielicht getreten sind. Der Zuschauer weiß freilich von Nixons baldiger Watergate-Verstrickung, vom tiefen Fall des korrupten Präsidenten. Der Zuschauer weiß auch Bescheid über die Exzesse von Elvis, über seinen baldigen Tod und die folgende Unsterblichkeit.
Es ist nun der große Verdienst von Regisseurin Johnson und ihren großartigen Darstellern, in diesen altbekannten Figuren noch mal etwas Neues aufzuspüren: eine genuin amerikanische Naivität und Unberechenbarkeit. Die Naivität scheint besonders auf Elvis zuzutreffen, der von Michael Shannon gespielt wird. Shannon ist vielleicht der Elvis-Darsteller, der dem legendären Idol an wenigsten ähnlich sieht. Er ist möglicherweise auch der hässlichste Elvis in der Geschichte der Elvis-Impersonators. Aber die Besetzung mit einem kantigen, grüblerischen Shannon ist der Clou des Films: eine verfremdete, verwegene Verkörperung, welche auf das Image und die Essenz des Rockstars zugleich abzielt. Shannons Elvis könnte sowohl Psychokiller als auch Heilsbringer sein. Wenn er morgens um vier Uhr durch eine leere Flughafenhalle schreitet und die Girls hinter den Schaltern verzückt durch seine geisterhafte Erscheinung, dann ist er der mysteriöse Mann des Südens mit Colt im Gürtel, rebellisch und konservativ, aber auch eine verlorene Figur, distanziert sogar in seiner Nahbarkeit, wie aus einem absurden Stück von Beckett.
Ein beinahe heimeliges Phantom der Geschichte ist auf der anderen Seite Richard Nixon, so wie ihn Kevin Spacey spielt. Spacey, gewissermaßen ein Profi in der Darstellung von Präsidenten und exquisiten Schurken, zelebriert perfekt die Eigenheiten in der Mimik und Gestik Nixons. Als grandioser Imitator der Details lässt Spacey die Nixon-Persona als eine Figur erscheinen, die paranoid zwischen Shakespeare-Drama und Seifenoper changiert. Das Leben, wie bei Elvis zur Performance verdammt.
Der gute Elvis, in alter US-Tradition ein Mix aus Kindskopf, Narr und Profi, hat sich fest vorgenommen, diesen Präsidenten zu treffen und als Spezialagent für das von Jugendrevolten und Drogenmissbrauch zerfressene Land tätig zu werden. Dabei unterstützen ihn zwei Kumpels aus der Film- und Musikbranche. Einer von ihnen, Jerry, gespielt von Alex Pettyfer, entpuppt sich als heimlicher Erzähler dieser seltsamen Geschichte. Jerry ist auch der bodenständige Antityp zu den »heiligen Monstern«. Als reale Person mit echten Liebesproblemen bleibt er aber die schwächste Figur des Films. Als trüge er nur eine Maske der Normalität.
Im Weißen Haus wiederum gibt es parallel zu den Helfern von Elvis zwei beflissene junge Beamte, die einem Treffen aus Publicity-Gründen zustimmen. Das Rendezvous zwischen den beiden Ikonen inszeniert Johnson als seltsam-komische Begegnung, die in einen aberwitzigen Showdown mündet. Eine Randnotiz der Geschichte wird hier zum ironischen Kammerspiel. Einerseits wirkt die Begegnung so pop-artifizell, als würden sich zwei Siebdrucke von Warhol begrüßen. Anderseits erscheinen Elvis und Nixon plötzlich auf ein menschliches Maß zurechtgestutzt. Aber wahrscheinlich ist die Menschlichkeit ein Teil des Spiels.
Johnsons kleiner, komplexer Film, den man in manchen Aspekten als beiläufigen Kommentar zur Trump-Wahl sehen kann, handelt letztendlich von Bildern und Legenden, vom Labyrinth der Images und Mythen, in dem sich irgendwo eine Wahrheit verbergen mag. Einmal schlendert Elvis frustriert durch Washington und landet im Schwarzenviertel der Hauptstadt. Ein Farbiger macht sich lustig über den Rocker, der die Musik den Schwarzen geklaut habe. Doch dann erkennt er doch die Coolness von Elvis an: diese zweifelnde, aber hartnäckige Suche nach Amerikas verlorener Unschuld.
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