Kritik zu Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

© Koch Media

2015
Original-Titel: 
A Tale of Love and Darkness
Filmstart in Deutschland: 
03.11.2016
Vor: 
L: 
98 Min
FSK: 
12

Mit den Kindheitserinnerungen des israelischen Schriftstellers Amos Oz feiert Natalie Portman ihr Regiedebüt und übernimmt auch die Rolle der schwermütigen Mutter des Ich-Erzählers

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Der Schriftsteller Amos Oz wurde 1939 in Jerusalem geboren. Die Familien seiner Eltern jedoch waren 1933 und 1934 nach Palästina, damals britisches Mandatsgebiet, ausgewandert, wo sich sein Vater Ariel und seine Mutter Fania kennenlernten. Die beiden waren europäische Intellektuelle, hatten neben ihrer Bildung ihre Erinnerungen an ihre osteuropäische Heimat im Gepäck und vor allem ihre Hoffnungen auf einen Neuanfang im gelobten Land. Doch die Lebensbedingungen erweisen sich als armselig; überdies müssen sie die Nachrichten über die Ermordung ihrer zurückgebliebenen Verwandten verkraften. Als 1947 nach einer erfolgreichen UN-Abstimmung über einen Teilungsplan Palästinas sofortige arabische Angriffe erfolgen, wird auch die Hoffnung auf Frieden zunichtegemacht.

Das Hintergrundwissen um die politischen Verwerfungen der israelischen Gründerjahre wird in Natalie Portmans Regiedebüt, der Verfilmung von Amos Oz' autobiografischen Kindheitserinnerungen, weitgehend vorausgesetzt. In elliptischen Streiflichtern aus der Perspektive eines Achtjährigen setzt sich das Mosaik eines kindlichen Kosmos zusammen. Als Zuschauer gerät man in die Situation des Jungen, der hie und da Stichworte aufschnappt. Amos wird zu Hilfsdiensten während des Kriegs herangezogen, erlebt, wie Nachbarn von Scharfschützen getötet werden, und versucht, sich auf all das einen Reim zu machen.

Mit großen Ohren lauscht er den politischen Parolen des Vaters; die zunehmend schwermütige Fania füttert ihn dagegen mit meist traurig endenden Geschichten aus ihrer Kindheit. So wird er zum Seismographen der seelischen Zerrüttung seiner Mutter, deren jugendliche Träume sich in nichts aufgelöst haben. Eine garstige Schwiegermutter, ein verständnisloser Ehemann, der in seiner Bücherwelt aufgeht: Der Sohn versucht, zum Hüter seiner Mutter zu werden – und muss zwangsläufig scheitern.

Portman, die selbst in einer angenehm unpathetischen Darstellung die lebensmüde Mutter spielt, versucht in ihrer Verfilmung herauszuarbeiten, wie Fanias kleine Fluchten in die Erinnerung den Sohn dazu animieren, sich selbst mit spannenden Geschichten aus mancher Bredouille zu ziehen, und ihn zum Schriftsteller reifen lassen. Das Drama der Mutter als Inspiration für den Sohn – das ist im Grunde starker Tobak. Das Psychogramm dieser Mutter-Sohn-Beziehung ist oft recht anrührend, besonders wenn Fanias Erzählungen in Amos' Fantasien weitergedacht werden.

Doch die Charaktere der Eltern selbst bieten zu wenig Stoff, um die durchgängige Traurigkeit interessant zu machen. Auch auf der visuellen Ebene, etwa bei der Darstellung von Fanias stiller Verzweiflung, wirkt der Film einfallslos; neben tristen Gassen und einer apokalyptisch-wüstenhaften Umgebung mit verhangener Farbpalette gibt es kaum Augenfutter. Die Schwierigkeit, den Echoraum dieser Kleinfamilie anschaulich zu machen, rührt natürlich auch aus der literarischen Vorlage selbst, die vor philosophischen und historischen Bezügen übersprudelt. So scheitert dieses ambitionierte Debüt letztlich auch an der Komplexität des Romans.

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