Kritik zu Ein Tag ohne Frauen
Pamela Hogan lässt zum 50. Jahrestag des großen Frauenstreiks in Island Beteiligte in Erinnerungen an eine Aktion schwelgen, die vermeintlich von einem Tag auf den anderen alles veränderte
Heute gilt Island als vorbildlich in der gesellschaftlichen und ökonomischen Gleichstellung von Frauen. Das war nicht immer so. Wie andernorts auf der Welt entstand auch hier in den boomenden 1960er-Jahren ein Leitbild der guten Hausfrau, die morgens schon vor ihrem Ehemann aufsteht, um sich für ihn schönzumachen und sich im besten Fall den ganzen Tag um Haushalt und Kinder kümmert. Auch ihre Löhne waren deutlich niedriger. Und in den Bauernverband des Landes wurden Frauen nur als Witwen aufgenommen.
Geändert habe das, so erzählt es dieser Film, ein Tag im Jahr 1975. Denn an diesem 24. Oktober zeigten die isländischen Frauen gegen die Diskriminierungen auf, indem sie kollektiv die Arbeit in Fischfabrik, Büro, Schule und zu Hause niederlegten (nur Krankenhäuser wurden ausgeklammert). So standen große Teile der Wirtschaft still. Und die Herren der Schöpfung standen plötzlich (wenn auch für einen sehr überschaubaren Zeitrahmen) ganz allein den Niederungen des Familien- und Arbeitsalltags gegenüber und mussten die Kinder mit in die Werkstatt oder das Kontor nehmen.
Entstanden war die Idee zum »Streik« zuerst bei der feministischen Initiative der »Roten Socken«, durchsetzen konnte sie sich nach einer UN-Konferenz in Reykjavik zum Internationalen Jahr der Frau 1975, als sich die isländischen Frauengruppen zu einem Aktionskomitee verbündeten. Dann wurde aus dem »Streik« ein day off, weil Ersteres manchen zu kommunistisch klang. Für den wurde per Telefon und öffentlichem Rundfunk Werbung betrieben. Das Ergebnis war – mit einer Beteiligung von 90 Prozent, heißt es – die größte Versammlung, die es in Island je gab. Ein Jahr später wurde vom Althing, dem Parlament, ein Gesetz zur Gleichstellung verabschiedet.
All dies ist bekannt, zum Jahrestag 2015 etwa gab es Artikel und Interviews. Nun ziehen ein rund halbes Jahrhundert nach den Ereignissen die beteiligten Frauen (und auch wenige Männer) in diesem Film noch einmal ein durchweg begeistertes Resümee: Vom biggest moment in life spricht eine in den auch sonst meist Englisch gesprochenen kurzen Interviewschnipseln, die großzügig mit atmosphärisch intensiven Animationen des Künstlers John Orloff illustriert sind. Auch sonst setzen Regisseurin Pamela Hogan und Co-Autorin Hrafnhildur Gunnarsdóttir mehr auf Atmosphäre als auf die – hoffentlich lehrreiche – Analyse zentraler Fragen, die sich nach so viel zeitlichem Abstand eigentlich erwarten ließen: Woher genau kam die enorme Mobilisierung für die Sache? Warum gab es nach nur einem Tag solch durchschlagende Wirkung? Und wie genau sah das Gesetz aus, das für die Zukunft so viel verändern konnte?
So ist »The Day Iceland Stood Still« (so der Originaltitel) leider nicht mehr als ein sympathischer Feel–Good-Movie in Sachen erfolgreicher Frauenpower: Vigdís Finnbogadóttir, die im Film von ihrem nicht erfüllten Berufswunsch als Kapitänin erzählt, wurde 1980 die erste gewählte Präsidentin, heißt es vor dem Abspann. Und im Althing seien heute 48 Prozent der Abgeordneten weiblich.
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