Kritik zu Ein Geschenk der Götter
In der Sozialkomödie, die unter anderem mit dem Publikumspreis des Münchner Filmfests ausgezeichnet wurde, übt eine Handvoll Langzeitarbeitslose mit einer ebenfalls arbeitslos gewordenen Schauspielerin Sophokles’ »Antigone« ein
Antigone widersetzt sich dem Gebot ihres Onkels, König Kreon, ihren gefallenen Bruder Polyneikes nicht zu bestatten. Rational betrachtet ist ihr Ungehorsam idiotisch. Doch Sophokles’ Antigone verkörpert eine Haltung revolutionärer Selbstermächtigung gegen das Herrschaftsprinzip, die das Publikum seit jeher inspiriert. Und nun zurück aus der griechischen Antike ins beschauliche Ulm. Dort soll ein Häuflein schwer vermittelbarer Arbeitsloser Sophokles’ Tragödie proben. Es handelt sich um eine Bildungsmaßnahme des Arbeitsamtes, doch eigentlich wird nur die Wartezeit bis zum Computerkurs ausgefüllt. Geleitet wird der Kurs von der Schauspielerin Anna, der gerade, nach vielen Jahren, im Stadttheater gekündigt wurde. »Ich nehme mir eine Auszeit«, sagt sie zu ihren Kolleginnen, die indes heimlich über ihre Arbeit mit den »Asis auf der Bühne« lästern.
Anne, die noch das Klatschen des Theaterpublikums im Ohr hat, sitzt nun im selben Boot wie die acht Amateure. Doch die Scham über ihren Statusverlust ist zu groß, um sich ihre Lage ehrlich einzugestehen. Wie erwartet ändert sich Annas Perspektive ebenso wie die ihrer Mitspieler, denn Theaterfilme vermitteln stets Aha-Erlebnisse, vom »Sommernachtstraum« im Club der Toten Dichter bis hin zum Dokudrama Cäsar muss sterben, in dem Häftlinge ein anderes Shakespeare-Stück proben. Beim Zusammenraufen verselbstständigt sich das Theaterprojekt, und am Ende sind alle begeistert. So weit nichts Neues; dennoch ist Regisseur Oliver Haffner mit beschränkten Mitteln ein rundum toller kleiner Film gelungen, dem man viele Zuschauer wünscht. Es sind neben den Darstellern besonders die Machart, der bedachte Schnitt, das taktsichere Timing und das Gespür für authentische Umstände, die diesen Ensemblefilm so erfreulich machen.
Anfangs bilden die acht eine lethargische Abwehrfront. Wieso sollen sie sich einer Schauspielerin, »die nicht mal im "Tatort" aufgetreten ist«, für dieses Hochkulturgedöns unterordnen? Franz, der Tischler, der in Konkurs gegangen ist, Dimitri, der Träumer, der ein Restaurant eröffnen will, Legastheniker Max, die übergewichtige Kinderpflegerin Betty, die stille Friederike, die zwei Kinder und einen übergeschnappten Mann hat – jeder Charakter bekommt seine Handvoll Minuten, in denen das jeweilige Dilemma angedeutet wird. Die Kunst der Inszenierung besteht darin, den Figuren ihr Geheimnis zu lassen und jenes küchenpsychologische »Bedeut-Bedeut«, an dem deutsche Filme oft leiden, zu vermeiden. Pathetische Sätze gibt es nur bei den Theaterproben; im wahren Leben aber redet kaum einer über sich, schon weil er den seelischen Druck, der auf ihm lastet, nicht verbalisieren kann. Und wenn die Kunst dem Leben Worte leiht und das Publikum gebannt auf die königlichen Kombattanten starrt, die der Schwerkraft der Verhältnisse den Mittelfinger zeigen – dann vermittelt sich die Magie des Theaters so schön wie lange nicht mehr.
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