Kritik zu Ein freudiges Ereignis
Rémi Bezançons Debütfilm »Love is in the Air« (2005) ist bei uns nur auf DVD erschienen, sein »C'est la vie – So sind wir, so ist das Leben« lief 2009 bereits mit Erfolg. Sein neuer Film belegt, dass Bezançon Komödien mit speziellem Charme macht
Nicolas arbeitet in einer Videothek. Seit Wochen flirtet er mit einer Kundin mittels der Filmtitel auf den DVD-Hüllen: Die Anmache reicht von seinem ersten Augenaufschlag bei »In The Mood For Love« über ihre verschmitzte Replik »I’m No Angel« bis zur verlockenden Geste: »Catch Me If You Can«. Letzterer Titel versteht sich als Appell an den schüchternen Mann hinterm Tresen und führt zum ersten Date von Nicolas mit der Philosophiestudentin Barbara. Die Annäherung der beiden, gefühlvoll unterlegt mit rieselnden Schneeflocken und säuselnder Klaviermusik, korrespondiert in ihrer charmanten Überzeichnung mit den Schemata romantischer Komödien: eine originelle Eröffnung, ein sehnsüchtiges Zögern und die daran anschließende unbeschwerte Liaison. Die formale Aufund die spätere versöhnliche Abblende, mit der Regisseur Rémi Bezançon seine dritte romantische Komödie einfasst, ist Ornament für einen komplexen Plot.
Barbara und Nicolas erwarten ein Kind. Bezançon konzentriert sich fortan weniger auf das Süßholzraspeln in der Paarung denn auf die Auswüchse der Schwangerschaft. Er malt die Schreckensszenarien der Elternschaft mit dem Genrevokabular von Horror und Fantasy aus, oftmals bis zur Travestie. Barbara begegnet der Transformation ihres Körpers, in der eine Reverenz an Kafkas »Die Verwandlung« zu erkennen ist, und den Anforderungen ihres Umfelds mit Ablehnung. Die Reaktionen der Verwandtschaft und das standardisierte Repertoire der Ärzte gehen ihr auf die Nerven. Sie ist das schwarze Schaf unter den gleichförmig pastellfarben gewandeten Schwangeren im Geburtsvorbereitungskurs. Barbara entzieht sich dem Gruppendruck. Sie weigert sich, im Kollektiv zu hecheln, und steht im Zentrum eines »hormonellen Hurrikans«, allzeit bereit für Sex. Aber Nicolas verspürt keine Lust mehr, weil er sich vom Fötus beobachtet fühlt. Auch mit ihrer Abschlussarbeit an der Universität kommt die Philosophiestudentin nicht voran. Ein Kommilitone schnappt ihr die Assistenzstelle weg, weil ihr Professor befindet, dass es ihren Ausführungen, die sie Wochen nach der Geburt des Mädchens Lea abgeliefert hat, an intellektuellem Format mangele. Theoretische Philosophie und Mutterschaft schließen sich scheinbar aus.
Den Roman, der als Vorlage für den heitersarkastischen Parforceritt durch das »freudige Ereignis« jenseits landläufiger Vorstellungen diente, veröffentlichte die heute 44-jährige französische Schriftstellerin Eliette Abécassis im Jahre 2005. Aber auch Überlegungen der 69-jährigen Philosophin Élisabeth Badinter zur »Mutterliebe« und dem Spannungsfeld der normativen Frauen- und Mutterrolle in der Gesellschaft finden in dem Film pointiert Widerhall, unter anderem in den Grabenkämpfen von Müttern aus unterschiedlichen Generationen und Milieus: Für die aus der Stillfraktion stehen die Bedürfnisse des Kindes im Vordergrund. Andere Frauen fahnden – wie Barbara – zwischen Romantik und Ernüchterung nach der Balance im Elternsein. Ihnen wird in diesem Gestaltwandel die rosarote Brille von der Nase gefegt.
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